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BerlinmusikErst Zappeln,dann Z.E.N.

Was für ein Stück Musik! Der aus Houston/Texas stammende Produzent und Musiker Lotic, bürgerlich J’Kerian Morgan, war schon in der Vergangenheit auffällig geworden, wenn es um ultraverspielte, maschinell anmutende, experimentelle und wuchtige Sounds ging, die den Hörer im Schwindel zurückließen. In der Clubszene wurde Lotic, der seit einigen Jahren in Berlin lebt, vor drei Jahren bekannt, als er auf einem (frei verfügbaren) Mixtape-Album gekonnt Beyoncés „Drunk in Love“ sampelte.

Wie furios die Musik Morgans ist, das kann man derzeit in einem neuen Track namens „Freefall“ hören. Sieben Minuten dauert er, geschrieben wurde er für eine Modenschau in Paris, und es würde einen schon sehr wundern, wenn die Models dazu nicht wild zappelnd und groovend über den Laufsteg gestolpert sind. Synthie-Flächen, Breakbeats, flirrende Höhen, ein völlig aus der Taktung geratener elektronischer Track, den man unbedingt laut hören muss: All das ist „Freefall“. Lotic selbst sagt, dass es darin um die „Reise von einem Geisteszustand in den nächsten“ gehe, „vom Vernünftigen über das Wahnsinnige bis hin zu einem Zustand irgendwo dazwischen.“ Eine Reise, die man hier gerne mitmacht.

Ebenfalls Größen im Bereich der Clubmusik sind die beiden Italiener Matteo Milleri und Carmine Conte, die sich Tale Of Us nennen und die vor einigen Jahren nach Berlin kamen, um hier den Durchbruch als DJs und Produzenten zu schaffen. Der Plan ging auf: In den vergangenen Jahren reüssierte das Duo mit einem Sound zwischen House, Techno und New Romantic und spielte bei großen Festivals.

Auf dem neuen Album, „Endless“, zeigt Tale Of Us sich mit verändertem Klangbild. In 10 langen, ausufernden Tracks (die meisten zwischen 6 und 12 Minuten) bewegen sich Milleri und Conte zwischen Neoklassik und Ambient; das ist sphärische Musik, zu der man gerne Z.E.N.-Sendungen („Zuschauen – Entspannen – Nachdenken“, erinnert sich noch jemand?) in Dauerschleife und mit Dolby Surround im leeren Kino schauen würde. Nur konsequent, dass „Endless“ bei Deutsche Grammophon erscheint und so in einer Reihe mit den ebenfalls beim Klassikriesen gelandeten Carl Craig und Moritz von Oswaldsteht.

„Endless“ zeitlose Musik, die zur Meditation empfohlen sei – und das ist hier alles andere als despektierlich gemeint. Jens Uthoff

Lotic: „Freefall“, soundcloud.com/lotic/freefall

Tale Of Us: „Endless“ (Deutsche Grammophon/Universal)

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