„In vielen Fällen Mord“

VORTRAG Das Leben der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer zwischen Tod und Ausbeutung

■ 36, Ethnologin, Autorin einer preisgekrönten Dissertation, arbeitet am Forschungszentrum Nachhaltigkeit der Uni Bremen.

taz: Frau Klepp, Sie sprechen über Menschenhandel, Arbeitsausbeutung, Migration und Flüchtlinge auf dem Mittelmeer. Ist das nicht ein sehr weites Feld?

Silja Klepp: Wir wollen die Bewegung der Flüchtlinge von Süden nach Norden nachzeichnen. Die meisten Menschen, die in Italien ankommen, bleiben da natürlich nicht. Einige sehen in Italien kein Land mehr, wo man vernünftig einen Asylantrag stellen kann – und kommen dann unter anderem auch nach Deutschland.

Bei diesen Flüchtlingen geht es doch zunächst meist um Leben und Tod – und nicht um Arbeit.

Ja.

Die Leute werden von der Grenzschutzagentur Frontex bekämpft.

Unter anderem. Aber die große mediale Aufmerksamkeit für Frontex hat dazu geführt, dass die Praktiken dort besser geworden sind und auch mehr Leute gerettet werden. Vor ein paar Jahren noch bewegte sich vieles im rechtsfreien Raum. Natürlich ist der Auftrag von Frontex immer noch in erster Linie der, Migranten und Flüchtlinge abzuwehren. Aber die wirklich tödlichen Praktiken finden jetzt eher auf nationaler Ebene statt, wo die Aufmerksamkeit nicht so groß ist.

Welche tödlichen Praktiken sind das?

In Malta haben ich nachzeichnen können, wie die Rettung von Bootsmigranten ganz aktiv verzögert wird, was gegen jegliches Recht verstößt – und in vielen Fällen Mord ist. Das ist oft von außen kaum nachzuvollziehen.

Und jene, die es doch nach Europa schaffen, landen dann bei Menschenhändlern?

Eher Arbeitsausbeutern. In Italien arbeiten sie in der Ernte, unter prekärsten Verhältnissen. Auch in Deutschland kann man in den Hinterzimmern von Restaurants oder auf dem Bau ähnliches finden. Sie sind Arbeitgebern völlig ausgeliefert.  Interview: MNZ

19 Uhr, Birkenstraße 34, Konsul-Hackfeld-Haus