american pie : Simulierte Bewegung
Die Baseball-Liga MLB verschärft ihre Antidopingregeln erneut. Das ist allerdings nur ein symbolischer Akt
Galt die Einnahme von Steroiden in Amerikas Ligen bislang als Aktion mit Mehr- und Nährwert, so hat sich nun langsam der Diätplan der Sportler geändert – notgedrungen. Nach Jahren und Jahrzehnten der stillen Duldung und uninspirierten Strafverfolgung beginnt sich die Sichtweise durchzusetzen, dass es so etwas wie Doping tatsächlich gibt und dass es darüber hinaus zu verurteilen ist, irgendwie. Dazu beigetragen haben diverse Skandale, die den amerikanischen Sport als das darstellten, was er allzu oft ist: ein dopingverseuchtes Terrain. Der US-Sport war ob des Sturms der Entrüstung und der offenbaren Versäumnisse dazu veranlasst, seine Dopingpolitik schleunigst zu überdenken, um sich die Schelte des Auslands nicht länger anhören zu müssen. Die Splendid Isolation der Profiligen war nicht mehr aufrechtzuerhalten. Sie wurden behelligt – und mussten sich stellen. Alle waren sich einig: So wie bisher konnte es nicht weitergehen.
Die Major League Baseball (MLB) hat also auch reagieren müssen – zumal die US-Politik Druck machte und Vertreter der Profiliga auf den Capitol Hill nach Washington lud. Dort machte man ihnen deutlich, dass die laxen Regularien bitte schön von einem handfesten Kontrollsystem zu ersetzen seien, die Sportnation mache sich ansonsten lächerlich. Der Arm der Vermarktung reicht in alle Kontinente, in Märkte, die an strengere Kontrollen gewöhnt sind und die Dopingkonsum nicht als sinnvolle Nahrungsergänzung ansehen. Sollten die Liga-Vertreter nicht einzulenken gedenken, so der US-Kongress, werde man mit einem Gesetz der Einsicht auf die Sprünge helfen. Die MLB hat in Abstimmung mit der Spielergewerkschaft den gemeinsamen Vertrag überarbeit, doch die Novelle muss nun schon wieder novelliert werden. Zu milde war das Strafmaß. Der Chef der MLB, Bud Selig, streitet sich derzeit mit dem Chef der Gewerkschaften, Donald Fehr, über die Härte der Sanktionen.
Selig findet bei einem Erstvergehen eine Sperre von fünfzig Spielen angemessen, Fehr will nur zwanzig. Selig fordert 100 Spiele Sperre für einen Wiederholungstäter, Fehr bringt 75 ins Spiel. Prinzipiell einig sind sich die beiden im Strafmaß für einen Spieler, der zum dritten Mal mit einem Muskelbläher erwischt wurde. Der soll lebenslang aus dem Profisport entfernt werden. Doch Fehr verlangt eine Prüfung, zudem eine Besprechung jedes einzelnen positiven Falles. Von Strafpauschalen, die in Stein gemeißelt sind, will er nichts wissen. Selig indes liegt an der starren Exekutierung der Penalties.
Nun mögen die beiden Funktionäre Glauben machen, die MLB sei bald schon von Sünden befreit und porentief rein, doch ein genauer Blick auf die Kontrolldichte lässt Zweifel aufkommen. So soll es nur zu einem zufällig anberaumten Test pro Spieler pro Saison kommen. Daneben wird en bloc zu Beginn der Spielzeit und an einem weiteren Termin getestet. Das Risiko für Steroidfreunde bleibt also kalkulierbar. Das gilt auch für Freunde von Amphetaminen, wenngleich sie nicht mehr einwerfen können, was geht. Es wird nun auch auf Amphetamine getestet und wer weiß, vielleicht kommen in absehbarer Zeit noch ein paar leistungssteigernde Mittelchen dazu. Ein Studium der verbotenen Substanzen, fein säuberlich aufgelistet im Code der Weltantidoping-Agentur Wada, sei hierfür empfohlen.
Selig und Fehr werden sich nun annähern müssen. Doch solange der Fahndungsdruck gegen null geht, betreibt die MLB lediglich symbolische Antidopingpolitik. Die Öffentlichkeit lässt sich mit dieser simulierten Bewegung immerhin beruhigen, der Kongress dürfte da ein bisschen hartnäckiger sein. Am Mittwoch sind Ligavertreter wieder nach Washington geladen – vor das Senate Commerce Committee. „Es ist gut, dass sich die Spielergewerkschaft in die richtige Richtung bewegt“, sagt ein Sprecher, „aber es bleibt offen, ob das gut genug für den Kongress ist.“
MARKUS VÖLKER