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Starker Mann auf dem Balkan

SerbienDer Nationalist Vučić schafft bei der Präsidentschaftswahl souverän den Sprung vom Regierungssitz in den Präsidentenpalast. Er bedankt sich bei Merkel und bei Putin

Aus Belgrad Andrej Ivanji

Champagner, Blechmusik, strahlende Gesichter. Als der Sieger erscheint, klatschen serbische Minister frenetisch: Aleksandar Vučić, der bisherige Ministerpräsident, war bei der Wahl am Sonntag Präsidentschaftskandidat aller regierenden Parteien. Alle waren sie in die Wahlkampagne eingespannt, der Staat stellte sich hinter den starken Mann. Und er siegte mit rund 55 Prozent, ein Knockout in der ersten Runde. Eine Stichwahl sollte aus seiner Sicht unbedingt vermieden werden, sie wäre zu einem Volksbegehren für oder gegen Vučić geworden, hätte die zerstrittene Opposition gezwungen, sich zu einigen, hätte Apathie in Kampfstimmung verwandeln können. Ein Feuerwerk erhellte den Belgrader Nachthimmel, als Vučić seinen Sieg verkündete.

Serbiens neuer Präsident spricht von einem „makellosen“ Triumph. Der Noch-Regierungschef bedankt sich bei den Bürgern, die trotz ihrer schwierigen sozialen Lage seine „Reform- und Wirtschaftsleistungen“ erkannt hätten. Er bedankt sich namentlich bei Angela Merkel und Wladimir Putin für ihre Unterstützung.

Ein Liebling des Westens und des Ostens – wer kann sich schon sonst dessen rühmen. Trotz Drucks aus Brüssel lehnt es Vučić konsequent ab, gegen Russland wegen der Ukraine ein Wirtschaftsembargo zu verhängen. Und der EU liefert er auf dem Westbalkan friedliche Regionalpolitik, gibt immer wieder bei den Verhandlungen über die Normalisierung der Beziehungen mit Kosovo nach; in der Flüchtlingspolitik kooperiert er; er macht seine Hausaufgaben bei den EU-Beitrittsverhandlungen und beteuert, die Mitgliedschaft Serbiens in der EU habe für ihn höchste Priorität; er behält akzeptable Distanz zu Russland und setzt Sparpolitik ganz im Sinne von Wolfgang Schäuble durch. Da lässt man ihn mit seiner umstrittenen Innenpolitik davonkommen.

Die EU ignoriert souverän, was nicht in dieses Bild passt. Auch, dass an seiner Seite bei der Siegesfeier Milorad Dodik steht, Präsident der bosischen Serbenrepublik „Republika Srpska“, der immer wieder mit einem Referendum über die Abspaltung von Bosnien und Herzegowina droht, was die Konflikte in Exjugoslawien neu explodieren lassen könnte.

Vučić ist Nationalist und Europäer in einer Person. Viele seiner Wähler sind konservativ-national und glauben, dass der ehemalige Ultranationalist mit seiner proeuropäischen Politik nur den Westen täuschen wolle und sich, wenn die Zeit dafür reif ist, Mütterchen Russland zuwenden würde. Noch vor wenigen Jahren verteilte Vučić in Belgrad Plakate mit dem Konterfei des serbisch-bosnischen Kriegsverbrechers Ratko Mladić. In den 1990er Jahren befürwortete er serbische Feldzüge in Kroatien, Bosnien und Kosovo, er stand politisch im Lager des Ultranationalisten Vojislav Šešelj. Der nationalistische Raufbold gibt sich nur als die Verkörperung eines Pazifisten.

Viele seiner Wähler glauben, dass ernur den Westen ­täuschen wolle

Oppositionelle Kandidaten versuchten es mit einem Flankenangriff: Sie beschuldigten Vučić, ein „Autokrat“ zu sein, der Justiz, Polizei und Sicherheitsdienste unter seine Kontrolle gestellt und Medien gleichgeschaltet habe. Sie verwiesen auf Korruption und Vetternwirtschaft, auf kriminelle Geschäfte von Andrej Vučić, dem Präsidentenbruder. Vergebens: Die Bürger Serbiens hegen nun einmal eine Zuneigung für starke Führer.

Am Ende liegt der liberale ehemalige Ombudsmann für Menschenrechte, Saša Janković, mit nur rund 16 Prozent an zweiter Stelle. Luka Maksimović alias Ljubiša Preletačević Beli, der das politische System verspottete, kommt mit 9 Prozent auf den dritten Platz. Eine schwere Niederlage mit knapp 6 Prozent erleidet der konservative Vuk Jeremić, ehemaliger Außenminister und Generalsekretär der UNO-Vollversammlung. Janković und Jeremić galten als oppositionelle Favoriten für die Stichwahl. Alle drei waren unabhängige Kandidaten. Die vor Vučić bis 2012 regierende Demokratische Partei (DS) hat sich immer noch nicht von Korruptionsaffären erholt und stellte sich hinter Jankovic, das „neue, saubere Gesicht“. Aber gegen die um Vučić vereinigten regierenden Parteien hatte die Opposition keine Chance.

Nun zieht also der Regierungschef in den Präsidentenpalast um. Das wird in Serbien kaum etwas ändern, da sind sich Analytiker einig: Die Autorität von Vučić war sowieso unantastbar. Kritische Stimmen warnen jedoch davor, dass Vučić seine persönliche Macht, die sich über staatliche Institutionen stelle, nun noch mehr ausbauen würde. Ein Führersystem.

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