Will die Mehrheit der Türken Deutschland in ein Sultanat verwandeln? Dafür spricht: Nichts: Wer hat hier einen Plan?
So nicht
Doris Akrap
Wenn jemand eine etwas ungeschickte, anstößige, nicht so coole Handlung mit „Der hat mich doch provoziert“ rechtfertigt, hat der Provozierte meistens ein Problem. Der Witz an der Provo ist ja, dass es immer mindestens jemanden braucht, der sich auch provozieren lässt. Und als Merkmal von Eloquenz, Intelligenz, Zivilisiertheit, Coolness, Größe, you name it, gilt nun mal: Benutzen Sie Sonnencreme.
Wenn nun allerlei deutsche Politiker einschließlich des Innenministers sagen, dass der türkische Geheimdienst eventuell, ganz vielleicht, also jedenfalls irgendeinen Plan hatte, als er eine Namensliste mit 300 mutmaßlichen Terroristen oder Terroristensympathisanten oder Terroristensympathisantensympathisanten überreichte, und dass der Plan also, ähm, vielleicht, also es so aussehen könnte, als ob, nun ja, also äh, nun ja, also es könnte sich um eine Provokation gehandelt haben, dann sieht es für mich so aus, als hätten diese Leute ihre Sonnencreme vergessen und sich einen tierischen Sonnenbrand geholt.
Einen Plan soll der türkische Geheimdienst also gehabt haben. Na ja, es soll ja auch planlose Geheimdienste geben. Eine Provo? Soso. Und diese Namensliste nun zu veröffentlichen ist also die Reaktion auf die Provo? Mit dem Effekt, die sowieso schon verängstigten Wähler noch mehr zu verängstigen? Nun ja, wie gesagt, man lässt sich eigentlich nicht provozieren, es sei denn, man verfolgt damit einen eigenen Plan. Und wie der jetzt genau aussieht? Irgendwas gegen Erdoğan halt. Aber eigentlich ist es wie immer: Geheimdienste spielen Spiele. Next.
Wenn es in Deutschland um Staatsbürger mit komischen Nachnamen geht, geht es immer irgendwann um das heiligste der Nation, den Lappen mit Wappen. Wer hierzulande kein Geheimdienst ist und aber was tun will gegen Erdoğan, der arbeitet zurzeit an einem alten Plan: jeder nur noch einen Pass.
Dieses Mal neu: Nicht nur die von rechts, auch die von links (im Zweifel Augstein und im Fernsehen Serdar Somuncu) fordern, dass das ganze Durcheinander mit den vielen Ausweisen aufhören muss. Weil die mit den beiden Pässen haben Identitätsprobleme, keine Ahnung, was Demokratie ist und wie geil sie es hier haben, und wählen deswegen immer nur Scheiße. Ganz so, als ob im Pass gleich neben der Ausweisnummer auch noch die politische Gesinnung steht.
Laut der äußerst AKP-nahen Vereinigung Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) stimmten bei der Bundestagswahl 2013 ganze 64 Prozent der türkischstämmigen Wähler für die SPD. Grüne und Linke holten jeweils 12 Prozent, die Union kam nur auf 7 Prozent.
Die Befragten wählten in der Türkei mehrheitlich AKP. Aber in Deutschland wählen sie Parteien, die links, Mitte oder Mitte-links sind. Alles irre Fanatiker? Es gibt tatsächlich hier wie da Leute, denen man diese Attribute getrost anheften kann.
Aber die Mehrheit der Türken scheint es nicht zu sein. Diese Mehrheit hat sicher nicht den Plan, Deutschland in einen Kartoffelacker oder ein Sultanat zu verwandeln. Das jedenfalls wäre selbst mit der SPD nicht zu machen.
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