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Archiv-Artikel

Scharon setzt sich im Likud durch

Im Zentralkomitee der israelischen Regierungspartei Likud siegt der Premierminister bei der entscheidenden Abstimmung über seinen Herausforderer Netanjahu. Streitpunkt ist der Gaza-Abzug

AUS JERUSALEM MAURICE TSZORF

Die Spannung bei der Sitzung des Zentralkomitees der israelischen Regierungspartei Likud in Tel Aviv hielt bis zum Schluss an. Die Abstimmung am Montagabend endete mit einem überraschenden, knappen Sieg von Premierminister Ariel Scharon über seine Herausforderer, den zurückgetretenen Finanzminister Benjamin Netanjahu und den Partei-Ideologen Uzi Landau.

Das Zentralkomitee mit 3.050 Delegierten wird alle sechs Monate zu Beratungen und Beschlussfassungen einberufen. Es ist neben dem Parteitag das mächtigste Gremium der Partei. Viele der Delegierten sind Siedler oder zählen zu ihren Förderern. 130 von ihnen gehören gar der rechtsextremen „Jüdischen Führung“ unter Feiglin an.

Was am Montagabend stattfand, war eine der merkwürdigsten Abstimmungen in der Geschichte des Zentralkomitees. Formal hatten die Delegierten lediglich zu beschließen, ob die satzungsmäßig für April 2006 angesetzte Wahl des Parteivorsitzenden schon im November stattfinden sollte. Der Grund für den von Netanjahu vorgelegten Antrag: Scharon habe mit dem Abzug aus Gaza die Parteilinie verlassen, gegen sein Wahlversprechen gehandelt. Deshalb müsse er so bald wie möglich abgelöst werden. „Sind wir eine demokratische Partei“, fragte Netanjahu in seiner Rede vor den Delegierten, „oder eine Ein-Mann-Partei, die die Entscheidungen ihrer Wähler ignoriert?“

Ursprünglicher Anführer der Initiative war Uzi Landau, den Scharon im Oktober 2004 von seinem Ministerposten feuerte, weil er im Parlament gegen den Abzugsplan gestimmt hatte. Doch im Gegensatz zu Landau, einem integren Ideologen der alten Schule, machte der Taktiker Netanjahu als Minister im Kabinett Scharon mehr oder weniger gute Miene zum bösen Spiel. Bei der Abstimmung, die Landau den Ministerstuhl kostete, stimmte Netanjahu „schweren Herzens“ für den Plan, ebenso bei den Kabinettsabstimmungen. Erst eine Woche vor dem Beginn des Abzugs trat er zurück, weil er „diese Entscheidung nicht mittragen“ könne.

Hinzu kam das eifrig geschürte Gerücht, Scharon wolle die Likud im Falle einer Niederlage bei der Abstimmung verlassen und eine eigene Partei der Mitte gründen. Tagelang war in der Likud von Demokratie die Rede und davon, dass sich der Verlierer dem Gebot der Mehrheit zu beugen habe. Sorge bereiteten Umfragen, wonach eine neue Partei der Likud bei heute stattfindenden Parlamentswahlen den Rang ablaufen würde.

Netanjahu selbst verwandelte die Abstimmung über einen Termin in eine Grundsatzentscheidung: „Wir wählen heute unseren Weg! Sind wir Likud oder stehen wir links von der Meretz“?

Tatsächlich war der Abzug aus Gaza für die Mehrheit der Likud-Wähler schwer zu schlucken. Aber für die Partei, die früher nicht nur die palästinensischen Gebiete, sondern sogar Jordanien beanspruchte, ist er eine Fortsetzung der langsamen Entwicklung vom rechten Rand hin zur Volkspartei der Mitte.

Scharon ist nicht der erste Premierminister der Rechten, der Gebiete aufgibt und jüdische Siedlungen zerstört. Der unbeugsame Nationalist Menachem Begin, bis 1977 fast 30 Jahre in der Opposition, hatte es ihm beim Friedensabkommen mit Ägypten vorgemacht. Der Minister, der damals die Zerstörung jüdischer Siedlungen im Sinai ausführte, hieß Ariel Scharon. Die Likud ist tief gespalten. Soll die Partei an einer realitätsfernen Ideologie festhalten oder einen pragmatischen Weg beschreiten, wie ihn Scharon zumindest bisher vorgibt?

Mit dem Sieg in Tel Aviv hat Scharon erst eine Hürde genommen. Netanjahu ist sich sicher, dass er, nachdem er „die erste Runde“ verloren hat, „die zweite Runde, die Wahl des Vorsitzenden“, im April gewinnen wird. Die Anhänger Scharons jubeln und sorgen sich nicht. In Anlehnung an den glücklosen Vorsitzenden der Arbeitspartei, Schimon Peres, der bei Umfragen stets vorne lag, nur um dann die Wahlen zu verlieren, frotzeln sie schadenfroh über „Benjamin Peresjahu“.