Berliner Szenen: Im Kleingartenverein
War Scherz
Am Sonntag hat in meinem Kleingartenverein die diesjährige Saison mit dem Anstellen des Wassers begonnen. Dazu müssen alle „Gartenfreunde“ persönlich anwesend sein. Die ganze Anlage, die noch vor wenigen Tagen verlassen und grau dalag, ist jetzt hell und bunt und voller Menschen.
Mein Nachbar von gegenüber hat sich vom Weihnachtsgeld seiner Mutter zwei bunte Hochbeetkästen geleistet. Und die Ökofamilie daneben hat vor ihre verwunschene Laube im komplett verwilderten Garten eine schicke Veranda bauen lassen. Kurz nach mir trifft auch Mustafa ein. Er hat den Garten neben mir. „Ich wollte schon Bäume absägen, aber war mir nicht sicher“, sagt er zur Begrüßung. Über die „Bäume“ hatten wir schon im Herbst gesprochen. Das sind so hässliche, mehrere Meter hohe Koniferen, die genau zwischen unseren Grundstücken stehen. Die dürfen eine bestimmte Höhe eigentlich nicht überschreiten. Ich hatte nie Lust auf die Arbeit. Darum bin ich natürlich dankbar, dass Mustafa das freiwillig macht. „Na, dann gerne heute“, sage ich. Kurz darauf klettert er mit Aluleiter und Säge über meinen Zaun. Wir reden über die strengen deutschen Kleingartenvorgaben. Irgendwann sind alle Bäume kürzer, bis auf einen. Der ragt einsam über die anderen hinaus. „Ich finde, wir sollten die stehen lassen, damit man sieht, wie hoch die mal waren“, sage ich. „Da mach ich dann eine Flagge dran.“
Er grinst. „Vielleicht die türkische?“ – „Na, von mir aus gerne die türkische“, sage ich. „Nee, nee“, wehrt er ab. „War Scherz. Erdoğan ist ein Idiot. Eine Schande, dieser Typ. Wenn meine Frau hier die türkische Fahne sieht, dann fackelt sie die ab. Die hasst diesen Hund. Und wir haben leider auch immer noch türkische Pässe.“ Das ist doch mal ein klares Statement. Die Kleingartensaison geht gut los. Gaby Coldewey
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