: Alarm vor Castor-Ankunft
Unbekannte zünden Container an, in denen Polizisten beim Castor-Einsatz unterkommen sollten. Sachschaden: Drei Millionen Euro. Ist das der Auftakt für weitere Aktionen der militanten Szene?
von Kai Schöneberg
Mit Besenstielen unter den Türen waren die Container von innen verbarrikadiert worden, damit die Feuerwehr nicht so leicht löschen kann. Ein Bekennerschreiben für den Brandanschlag auf die Polizeiunterkünfte in Woltersdorf wenige Kilometer entfernt vom Gorlebener Zwischenlager gibt es bislang nicht. Dennoch: „Der Castor-Bezug drängt sich auf“, findet Michael Knaps, Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums. Wenige Wochen vor dem Transport der Castor-Behälter aus der Wiederaufbereitungsanlage im französischen La Hague haben gestern früh Unbekannte 130 Wohncontainer, in denen während des Castor-Einsatzes Polizisten untergebracht werden, in Brand gesetzt. Die Polizei hat nicht nur Brandbeschleuniger gefunden. Sie geht auch deshalb von Brandstiftung aus, weil „das Feuer in fünf getrennt stehenden Komplexen ausbrach“, sagte ein Sprecher. Zerstört wurden rund 600 von 1.000 Schlafplätzen. Sachschaden: etwa 3 Millionen Euro geschätzt. 200 Feuerwehrleute löschten, einer wurde dabei leicht verletzt.
Zuletzt hatte es vor vier Jahren einen Brandanschlag auf eine Brücke gegeben, über die der Castor-Zug rollen sollte. Ist die Aktion von gestern Auftakt für weitere Gewaltaktionen von militanten Atomkraftgegnern? „Wir haben in den vergangenen Monaten keine erhöhten Aktivitäten aus der militanten Anti-Atom-Szene registriert“, sagt Maren Brandenburger vom niedersächsischen Verfassungsschutz. Tatsächlich hatten die Aktionen gegen die Transporte immer weniger Demonstranten angezogen, die Proteste waren friedlich verlaufen – allerdings gab es stets Kritik an Übergriffen der Polizei. „Der Trend ging eigentlich zu weniger Protest und zu weniger Aufwand für uns“, sagt Ministeriumssprecher Knaps. Es bleibe abzuwarten, ob beim nächsten Transport mit radikaleren Aktionen zu rechnen ist.
Klar ist: Der Anschlag wird den Transport kaum verzögern. Und: Einsatzleiter Friedrich Niehörster dürfte das gestrige Feuer in seine Lagebeobachtung einbeziehen – und diesmal wieder mehr Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz anfordern. Im vergangenen Jahr waren etwa 10.000 Beamte eingesetzt worden, 2.000 weniger als 2003. Der Castor-Alarm wird dieses Jahr bereits teurer, weil nach dem Brand für eine Million Euro Ersatz-Container gemietet werden müssen.
„Wir gehen davon aus, dass die Proteste in diesem Jahr zunehmen“, sagt Dieter Metk von der Bürgerinitiative Umweltschutz. Auch die Grünen sehen wegen einer möglicherweise CDU-geführten Regierung eine Renaissance der Anti-AKW-Bewegung. „Aufweichung des Atomkonsenses, Ende des Erkundungsstopps in Gorleben – das wirkt doch wie eine Kampfansage von Frau Merkel“, sagt Andreas Meihsies von den Grünen.
Auch wenn bislang noch nicht klar ist, wann der Zug mit den zwölf Castor-Behältern im Wendland eintrifft, hat die Szene bereits zur ersten Demonstration am 5. November in Lüneburg aufgerufen. Die Behörden halten den genauen Termin geheim – dennoch gehen Atomkraftgegner davon aus, dass der nächste Castor in der Zeit zwischen dem 6. und 16. November ankommt.