: Ein Krimi für Digital Natives
Jugendfrei Auf der Webseite „Das Leben ist Jippie!“ können Kinder ab acht Jahren bei einer Reise um die Welt Abenteuer erleben und Rätsel lösen. Erfinderin Angela Linders will damit einen Kontrapunkt zu „Ballerspielen“ setzen
von Wilfried Hippen
Die Art, wie Kinder Medien nutzen, hat sich in den letzten Jahren radikal geändert. Trotzdem mögen sie noch immer die gleichen Geschichten, die schon ihre Eltern in ihrer Kindheit erzählt bekommen haben. Das ist zumindest die These, die hinter dem Webportal „Das Leben ist Jippie!“ steht, das die Autorin, Regisseurin und Produzentin Angela Linders fünf Jahre lang entwickelt hat und das seit Dienstag für PC, Tablet und Handy im Netz zu finden ist.
Der erzählerische Kern des Projekts besteht aus Abenteuern, die eine kleine Gruppe von Kindern und ein Hund miteinander erleben. Ja, das ist das Grundgerüst der „Fünf Freunde“-Geschichten von Enid Blyton, aber Linders muss sich wohl keine Sorgen machen, dass da bald Medienanwälte mit Plagiatsklagen bei ihr anklopfen. Denn nur zwei der Kinder sind bei jedem Abenteuer dabei, und erst auf ihren Reisen, etwa nach Sumatra oder nach China, treffen sie dort Gleichaltrige und helfen ihnen bei ihren Problemen, hinter denen immer die internationale Verbrecherbande des Erzschurken „Alpenkönig“ steckt.
Tarek und Freia leben in einer „poetischen Tankstelle“ in der deutschen Provinz. Und diese ist als ein multikulturelles Paradies konzipiert. Freia ist eine Austauschschülerin aus Dänemark, Tarek der Sohn einer Französin und eines Nordafrikaners. Außerdem hat er noch norddeutsch bodenständige Großeltern. Tareks Vater repariert Autos und schreibt eigene Gedichte auf die Rechnungen. Sein Opa hat ein Expeditionsfahrzeug namens Magic Moggie, das wie das Fliwatüüt die jungen Helden in Nullkommanix in alle Gegenden der Erde versetzen kann. Um ihre Abenteuer zu bestehen, brauchen die Kinder die Unterstützung der User, die ihnen auf der Webseite in Spielen helfen und so interaktiv in die Geschichten eingebunden sind.
Erzählt wird dies in der Form eines minimalistisch animierten Comics, bei dem es nach jedem Bildwechsel neue Aufgaben, Spiele und weiterführende Informationen über die angesprochenen Themen gibt. Wenn die Kinder in das Bistro der Tankstelle kommen, bittet sie die Mutter Flora, die französische Speisekarte ins Deutsche zu übersetzen und in der Werkstatt des Vaters werden sie gebeten, aufzuräumen und etwa den Schraubenzieher an das Werkzeugbrett zu klicken.
Als Belohnung können sie Spielelemente einsammeln, die ihnen auf den Abenteuern nützlich sein werden – etwa einen Werkzeugkasten. Aus dem Zimmer der Oma dürfen sie sich ein Tablet mitnehmen, in dem ein großes Archiv mit Texten, Bildern und kleinen Filmen zu finden ist, durch die den Kindern Wissen über die verschiedenen Länder, Kulturen, Tiere, Naturwunder und Themen vermittelt wird, auf die die Kinder während der Abenteuer stoßen. Und sie können auch in das Fotoalbum von Tareks Opa schauen, in dem die Hintergrundgeschichten der Spielfiguren erzählt werden. Außerdem gibt es komische Überraschungen – wie etwa eine kleine Maus, die, wenn sie angeklickt wird, so mächtig brüllt wie ein Löwe.
Bei den Abenteuern gibt es jeweils fünf größere Spiele, zu denen immer eine Verfolgungsjagd gehört. In Sumatra können die Kinder tauchen, bei der archäologischen Expedition in China helfen sie beim Graben. Und wenn sie in Indonesien verhindern, dass der Regenwald abgeholzt wird, wird ihnen vermittelt, dass sie gemeinsam mit den Protagonisten dabei helfen, die Welt besser zu machen.
Angela Linders versteht ihr Projekt als einen Gegenentwurf zu den „Ballerspielen“ und als eine kindgerechte Plattform im Internet, die pädagogische Inhalte und eine Vermittlung von Werten wie eine positive Weltsicht, Freundschaften und Verantwortung mit unterschiedlichen Spielen und spannenden Geschichten mischt.
Ursprünglich wollte Linders nach einer längeren Arbeit an einem Dokumentarfilm ein Kinderbuch schreiben, fand es dann aber spannender, die Geschichte mit so vielen neuen Medien wie nur möglich zu erzählen. Mit der Filmförderanstalt Nordmedia, die eine eigene Unterabteilung für digitale Spiele hat, fand sie einen ersten Förderer. Später kam noch die Initiative der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) „Ein Netz für Kinder“ dazu, sodass schließlich ein Budget von 230.000 Euro zur Verfügung stand.
Fünf Jahre lang hat Linders dann mit einem immer größer werden Team an dem Projekt gearbeitet. Mit Pädagogen, Illustratoren, Programmierern, Designern, Autoren und Regisseuren baute sie dieses multimediale Projekt auf, dessen Launch am Dienstag im Kino im Künstlerhaus in Hannover nur ein erster Entwicklungsschritt sein soll.
Zur Zeit können die Kinder zwei Abenteuer in Sumatra und China durchspielen. Zudem wurde ein Trailer produziert, in dem ein realer Schauspieler in der Rolle des Opas die Kinder mit einem Rap-Gesang zu einer Reise in seinem Magic Moggie einlädt. Geplant sind wöchentlich produzierte, 15 Minuten lange Kindertalkshows, die in Schulen gedreht werden sollen. Und es soll einen für die Kinder sicheren Chatroom geben, in dem die kleinen User sich in Echtzeit über ihre Erfahrungen mit „Das Leben ist Jippie!“ austauschen können.
Natürlich hängt die weitere Entwicklung des Projekts davon ab, ob die Kinder es annehmen und auch über eine längere Zeit interessant finden. Linders hat schon zwei weitere Geschichten geschrieben, in denen Tarek und Freia dafür sorgen, dass in Russland keine Rentierherden für Ölvorkommen geopfert werden und dass einer Schmugglerbande in Burkina Faso das Handwerk gelegt wird.
Linders und ihr Team planen auch eine weitere multimediale Verbreitung des Projekts, bei der sie dann auch die traditionellen Medien nutzen wollen. So wollen sie eine Buchserie, Hörbücher und eine TV-Serie produzieren. Aber das sind noch eher Wünsche als realistische Planungen, denn die ersten Kinder haben gerade erst damit begonnen, „Das Leben ist Jippie!“ zu spielen.
Das Spiel gibt es unter: www.jippie.life im Netz
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