piwik no script img

Berliner SzenenHalogenleuchte

Brauchst du was?

Er fragt: „Brauchst du was?“, und ich sage: „Nein“

Es ist früher Nachmittag, die Sonne scheint. Bald wird Frühling sein, und diese Zeit ist eigentlich die beste. Ich hatte mir vorgenommen, zu erledigende Sachen nicht mehr ständig von mir wegzuschieben; gestern hatte ich meine Bücher bei der AGB verlängert und jetzt will ich nur schnell zu Domäne und mir eine Power-Halogenleuchte kaufen. In den letzten Tagen war mir immer wieder die Schreibtischlampe von der Kommode neben dem Bett heruntergefallen, dann hatte sie nicht mehr funktioniert. Es ist eine halogenbetriebene Schreibtischlampe aus der DDR; sie hatte in Röntgental gestanden; ich hatte sie von meiner Tante geerbt.

Ich will die Straße überqueren. Ein Mann wartet neben mir auf die Lücke im Verkehr. Als Anorak hat er einen blauen Schlafsack an. Er hat ungefähr meine Statur und grinst mich an wie einen Bekannten. Auch er kommt mir bekannt vor; vielleicht gehört er zu den Junkies, die in der Nähe rumhängen, vielleicht zu den Leuten, die hier an der Kreuzung die Autofahrer anbetteln. Vielleicht ist es auch der seltsame Mann, der mir vor zehn Jahren, am Flipper in der Kahuna-Lounge, unvermittelt gesagt hatte: „Das Leben ist gefährlich.“

Es ist viel Verkehr, wir stehen nebeneinander, ich erwarte, dass er mich um etwas Geld bittet. Er sieht eine Lücke und überquert die Straße; ich zögere kurz und folge ihm dann. Er fragt: „Brauchst du was?“, ich sage: „Nein“, finde es aber gut, dass er mich so unaufdringlich gefragt hatte. Und male mir aus, was gewesen wäre, wenn ich was von ihm gekauft hätte und wir länger miteinander gesprochen hätten. Eine Weile gehen wir nebeneinander. Er geht etwas langsam; ich verlangsame meinen Schritt, um nicht unhöflich zu sein. Ich denke an das Lächeln des Beatnik-Dichters Harry Hass. Gehe dann Richtung Domäne und kaufe mir die Leuchte. Detlef Kuhlbrodt

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen