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Archiv-Artikel

JA. DAS FERNSEHPROGRAMM FEHLT. SCHULD IST DAS INTERNET. WIE IMMER (SIEHE KOLUMNE „NULLEN UND EINSEN“, SEITE 14). ABER LESEN SIE SELBST:

Die Verlage drohen den Lesern also mit etwas, vor dem sie selber Angst haben

Die Mauer im Netz

PAYWALL Keiner will es so richtig, alle Verlage reden darüber: Journalismus im Netz nur noch kostenpflichtig anzubieten. Vielleicht zahlen die Leser ja freiwillig?

VON FALK LÜKE

Nicht mehr Anzeigenkunden sollen fortan die Zeitungen hierzulande finanzieren – sondern die Nutzer. Sinkende Kioskverkäufe, eine stetig steigende Mobilnutzerquote und zurückgehende Abonnentenzahlen der Druckausgaben zwingen die Verlage zum Handeln.

Vergangene Woche meldete die Frankfurter Rundschau Insolvenz an, der Aufsichtsrat von Gruner + Jahr debattierte gestern weiter über das Schicksal seiner Wirtschaftsmedien, allen voran über das der Financial Times Deutschland. Ob das Blatt nun verkauft oder mit der Ausgabe vom 7. Dezember eingestellt wird, stand bei Redaktionsschluss dieser Seite nicht fest.

Inspiration liefert der US-Markt. „Nach dem Modell der New York Times will Axel Springer zum Jahresende seine Paywall für die Welt startklar haben“, sagt Konzernsprecherin Bianca Brandt. Das New-York-Times-Modell ist eine Mischung aus frei zugänglichen und bezahlpflichtigen Inhalten sowie solchen, die nur dann frei zugänglich sind, wenn man etwa via Twitter oder Facebook auf den Artikel gelangt.

Auch andere US-Medien wollen ihre Nutzer mit Mischangeboten zum Bezahlen bewegen. Alles auf Bezahlinhalte umzustellen, traut sich aber kaum einer. Dann, so fürchtet man, würde man die Laufkundschaft verlieren.

Auch die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) nimmt sich die US-Medien zum Vorbild: „Wir sind mit den ersten sechs Wochen sehr zufrieden“, verkündet Peter Hogenkamp, Leiter Digitale Medien. Die genaue Zahl der Digital-Abonnenten will er noch nicht nennen. Allerdings: „Die Einnahmen aus dem Digitalabo werden wohl noch einige Jahre unter den Einnahmen aus Onlinewerbung liegen“, gibt Hogenkamp zu. Derzeit verdienen die Schweizer mit Netzwerbung über alle an den Vermarkter NZZ-Netz angeschlossenen Seiten rund 10 Millionen Franken (etwa 8,3 Millionen Euro).Das reicht für den Betrieb einer großen Redaktion nicht. Ein Grund, weshalb die Schweizer all jene stärker um den Abschluss eines Abonnements bitten werden, von denen sie E-Mail-Adressen oder Telefonnummern haben.

taz zahl ich – auch im Internet

■ Prinzipiell: Es steht schon vorne auf der Seite 1: Heute geht es hier im Blatt grundsätzlich um Journalismus. Der ist heutzutage nicht mehr auf Papier beschränkt. Wir haben inzwischen Online mehr Leser als Print. Allerdings halten die Online-Einnahmen mit den Kosten nicht Schritt. taz.de startet deshalb heute einen Aufruf an seine Leser. Diese sollen freiwillig für Onlinetexte bezahlen, und zwar je nach ihrem Vermögen.

■ Speziell: Aus diesem Anlass drucken wir hier heute ausnahmsweise einmal nicht das aktuelle Fernsehprogramm, sondern eine Übersicht, wie andere Verlage das existenzgefährdende Problem angehen. Vermissen Sie die TV-Übersicht eigentlich? Schreiben Sie uns Ihre Meinung per Mail an medien@taz.de.

Mehr auf www.taz.de/zeitung/tazinfo/taz-zahl-ich

Mit dem Telefon die Leute hinter die Paywall locken? Bezahlmauer, schon der Begriff gefällt Stefan Plöchinger, dem Chefredakteur von sueddeutsche.de, überhaupt nicht. „Leserclubs“ seien nötig, schrieb er kürzlich in sein Blog. Fast 14.000 E-Paper-Abonnenten hat die SZ, was den Münchnern etwa 4,87 Millionen Euro pro Jahr einbringen dürfte. Ein Anfang, aber auch noch keine Rettung für die mehreren hundert Redakteure und freie Journalisten, die derzeit die Zeitung füllen.

Die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit setzt digital 20.000 Exemplare pro Woche ab. Aktuell habe man „keinen konkreten Plan“ für eine Paywall. Aber für die Zukunft könne man nichts kategorisch ausschließen, sagt Zeit-Online-Geschäftsführer Christian Röpke.

Die Verlage drohen den Lesern also mit einer Mauer, vor der sie selber Angst haben. Wer eine Bezahlschranke einführt, könnte die Leserschaft verprellen – und dadurch Reichweite und Werbeeinnahmen schmälern. Denn warum sollten Leser auf ein bestimmtes Angebot zurückgreifen, wenn es kostenlose Alternativen gibt? Oder zahlen Nutzer am Ende doch freiwillig? Es sind viele offene Fragen, die derzeit zu diskutieren sind.