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Archiv-Artikel

Keine Streikbrecherprämie

Gerichtsurteil für Redakteure und gegen die WAZ

Helge Kondring staunte nicht schlecht, als er im Februar 2004 seine Lohnabrechnung aus dem Hause der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) bekam. Mehr als 700 Euro fehlten dem Redakteur auf dem Gehaltskonto. Der Grund: Kondring hatte als langjähriges Gewerkschaftsmitglied und als Betriebsrat fleißig und ausdauernd, nämlich genau 24 Tage, für höhere Gehälter gestreikt. Und deshalb glaubte die WAZ, dass sie Kollegen Kondring dafür bestrafen musste – sie zog ihm anteilig für jeden Streiktag das Urlaubsgeld und die Jahresleistung vom Gehalt ab.

So wie Kondring ging es zahlreichen weiteren Kolleginnen und Kollegen, die unter dem Dach des Zeitungshauses im Ruhrgebiet arbeiten. „Darf die WAZ das?“ wollten die beiden Journalisten-Gewerkschaften Deutsche Journalistenunion (dju) in Ver.di und Deutschen Journalistenverband (DJV) wissen und taten sich zusammen, um in einer Musterklage den Sachverhalt stellvertretend für zwei Angestellte klären zu lassen.

Die WAZ darf nicht, stellte jetzt in der ersten Instanz das Arbeitsgericht in Essen fest. Die 8. Kammer verdonnerte die publizistische Großmacht im Revier sogar dazu, ihren Mitarbeitern das Geld zurückzubezahlen. Auch die Kosten fürs Verfahren brummten die Essener Arbeitsrichter dem Verlagsriesen auf.

Vor verfrühter Freude warnt allerdings der Dortmunder Arbeitsrechtler Andreas Rüther, der dju/DJV vertritt. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig: „Die WAZ wird mit Sicherheit Berufung einlegen“. Dann würde es vermutlich Anfang nächsten Jahres vor dem Landesarbeitsgericht in Düsseldorf weiter gehen. Und wenn dann noch Klärungsbedarf besteht, können sich die Parteien noch vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt streiten.

Die WAZ- Gruppe hatte sich vor gut anderthalb Jahren übrigens einen ganz besonders hübschen Verwendungszweck für die einbehaltenen Gelder ausgedacht, der die Kollegen damals zu Recht in Rage brachte: Sie zahlte das Geld als Prämie an die Streikbrecher aus.AZ 8 Ca 1879/05 FRANK BIERMANN