piwik no script img

„Ein echtes Schmuckstück“

Einsperren Nach fünf Jahren Bauzeit und zehn Millionen Euro ist die JVA Bremerhaven saniert und hat einen Neubau. Der Fokus lag auf Sicherheit und Resozialisierung

Hier dürfen Häftlinge ihre tägliche Freistunde verbringen: Innenhof der JVA Bremerhaven Foto: Gareth Joswig

von Gareth Joswig

Die Sanierung der JVA Bremerhaven wurde höchste Zeit. Das Gerichtsgefängnis Lehe, erbaut 1916, steht als historisches Gebäude zwar unter Denkmalschutz, die architektonische Zielsetzung des Baus aber war längst überholt: Repression und Strafe standen im Mittelpunkt. Dicke Holztüren, die krachend ins Schloss fielen, kleine Zellen, belegt mit bis zu vier Personen. Die Toilette war direkt neben dem Kopfkissen, dazwischen nur eine kleine Schamwand. Der Architekt Jörg Schneider, der in den vergangen zehn Jahren Planung, Sanierung und den Neubau eines Hafthauses leitete, sagte über den Zustand: „Es war originalgetreu erhalten.“

Gestern wurde der sanierte alte Knast samt eines Neubaus für die Zellen der Häftlinge eingeweiht. Justizsenator Martin Günthner (SPD) sagte: „Die JVA Bremerhaven entspricht nun aktuellsten Sicherheitsanforderungen und erfüllt die Voraussetzungen eines humanen, auf das Ziel der Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzugs.“

Ebenso zufrieden ist der Leiter aller Bremer Justizvollzugsanstalten, Carsten Brauer. In seiner Eröffnungsrede nennt er das Gefängnis „eine trutzige alte Dame“, die nun „ein echtes Schmuckstück“ sei. Später sagt er über den Zustand zuvor: „Es war richtig Knast, wie man das aus dem Fernsehen kennt.“ Die Holzfußböden im Zellentrakt stammten noch aus dem Jahr 1916. Eingesessen haben deswegen hier nur Insassen mit Haftstrafen unter 18 Monaten, „das war gerade noch verantwortbar“.

Jetzt ist vieles besser: Es gibt behindertengerechte Doppelzellen mit 20 Quadratmetern und Einzelzellen, die zehn Quadratmeter messen, Toiletten und Waschbecken sind für jede Zelle separat abgetrennt. Gemeinschaftsduschen sind auf dem Flur. Die Zellen haben ein Fenster, einen Telefonanschluss und einen Fernseher. Es gibt einen Sportplatz und einen Kraftraum.

„Der alte Zustand war menschenunwürdig“

Elke Bahl, Straffälligenbetreuung

Nach einer Bauzeit von fünf Jahren und Kosten in Höhe von zehn Millionen Euro werden die vorübergehend in der JVA Oslebshausen untergebrachten Häftlinge im Laufe eines Monats wieder nach Bremerhaven gebracht. 86 Gefangene mit einer Haftdauer von bis zu vier Jahren sollen hier eingesperrt werden, eingeteilt in vier Wohngruppen. Hinzu kommen 15 Plätze im Freigängerhaus, dem offenen Vollzug, der sich im Vorderhaus der JVA befindert. Die Fenster dort sind nicht vergittert, die Häftlinge gehen einer externen Arbeit nach.

Mehr Sicherheit bringt die neue KFZ-Schleuse. Im alten Gebäude war es nicht möglich, Essens- oder Warentransporte per Transporter oder LKW direkt ins Gefängnis zu fahren und dort zu entladen. Sämtliche Anlieferungen mussten vor der Tür der JVA auf offener Straße ausgeladen werden mit entsprechend hoher Fluchtgefahr. Die Feuerwehr hätte im Ernstfall ebenfalls dort parken müssen, der Brandschutz war ohnehin mangelhaft. Das ist nun anders. Und auch modernere Technik, etwa individuelle Notruf-Apparate der VollzugsbeamtInnen und Kameras sollen bei der Überwachung helfen. Oder wie Anstaltsleiter Bauer es nennt: „Innovative Gedanken der Insassen werden durch Technik im Keim erstickt.“

Elke Bahl von der bremischen Straffälligenbetreuung sagt: „Der alte Zustand war nicht mehr haltbar und menschenunwürdig.“ Die kleinen Zellen seien zu zweit, dritt oder sogar zu viert besetzt gewesen. „Großartig“ seien große Zellen und insbesondere sei gut, dass in der JVA Bremerhaven „ein großer Anteil an Freigängern“ Platz finde. Sympathie empfinde sie diesem Ort gegenüber dennoch nicht. Die Sanierungen von Gefängnissen müsse nun in Bremen fortgesetzt werden: In der JVA Oslebshausen, die 1874 als Zuchthaus eröffnet wurde und baulich immer noch so wie in der Kaiserzeit strukturiert sei – mit großem Treppenhaus und Drahtgitter in der Mitte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen