Berliner Szenen: Künstlersozialkasse
Abhilfe per Post
Wenn man schreibt, die KSK, also die für mich zuständige Krankenkasse, hätte einem gekündigt, klingt es dramatischer, als es für einen selbst ist. Am unangenehmsten an dem Kündigungsbrief war die Lektüre, nicht die möglichen Folgen.
Aus diesem Grund las ich die Sätze, die mir die Freundschaft kündigten, auch nur einmal. Die KSK hatte natürlich recht; es war extrem unhöflich von mir gewesen, nicht auf die Frage nach meinem voraussichtlichen Jahreseinkommen zu antworten.
Ich hatte auf die Sätze mit schlechtem Gewissen reagiert, so als ob ich den Absender persönlich gekränkt hätte. Oft wird aber auch vergessen, dass die Behörde ein Mensch ist.
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, schrieb zurück und erklärte alles. Zum Beispiel, dass ich im Herbst bei meinem Freund M. Zivildienst gemacht hatte und dass er danach ins Krankenhaus musste und schon im Koma gewesen war, weil er nicht die Feuerwehr, sondern den Notarzt angerufen hatte, und nun ist er im Pflegeheim. Und weil ich ja auch dauernd krank bin und weil ich so wenig arbeiten kann, hatte ich leider vergessen, der KSK mein Einkommen mitzuteilen. Und ich möchte darum bitten, das zu entschuldigen. Mit diesem Brief ging ich zum Edeka-Geschäft an der Ecke und gab ihn als Einschreiben auf und der Mann im Edeka meinte, mit Einschreiben würden sie am meisten Geld machen, haha.
H. sagte dann immer, ich solle bei der KSK anrufen, um zu erfahren, wie es wäre; ich sagte aber, die würden sich sicher ärgern, wenn ich da einfach anrufe. Der Titel des Antwortschreibens der Künstlersozialkasse lautete „Änderungsbescheid“. Aufgrund meines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27. 12. war nachstehender“ Abhilfebescheid“ ergangen, in dem der zuvor ergangene Bescheid wieder aufgehoben worden war.
Detlef Kuhlbrodt
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