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Ein Euro täglich für die U-Bahn

Mobilität Eine Jahreskarte für den Wiener Nahverkehr kostet nur 365 Euro – und das bei guten Leistungen. Kein Wunder, dass sich das Ticket großer Beliebtheit erfreut

Serie: Gut vorankommen

Die Metropolen wachsen weltweit rasant und ersticken im zunehmenden Verkehr. Lärm und Abgase machen den Menschen zu schaffen. Zudem ist der Verkehrssektor einer der größten Klimakiller. Wie Städte diese Probleme in den Griff kriegen wollen, untersucht die taz in dieser Serie. Mit dem heutigen Beitrag über die österreichische Hauptstadt Wien endet die Serie, die im Dezember mit einem Artikel über Berlin begonnen hatte.

von Ralf Leonhard

WIEN taz | Als es im Winter in Wien schneite, waren U-Bahn und Busse im Handumdrehen überfüllt. Autofahrer und Radfahrer drängten sich in den öffentlichen Nahverkehr, der sich auch sonst großer Beliebtheit erfreut. 2016 feierten die Wiener Linien mit 954,2 Millionen Fahrgästen einen neuen Fahrgastrekord – den dritten in Serie.

Derzeit sind rund 733.000 Jahreskarten im Umlauf – mehr als je zuvor. Seit die Grünen in der Stadtregierung das Jahresticket für 365 Euro durchgesetzt haben, steigen die Verkaufszahlen rasant. Zum Vergleich: Eine Jahreskarte für das Berliner Stadtgebiet kostet 728 Euro, Umlandpendler müssen dafür sogar fast 1.000 Euro bezahlen.

39 Prozent der Menschen, die in Wien unterwegs sind, nutzen mittlerweile U-Bahn, Straßenbahnen, Busse und Schnellbahnen. Vergleichsweise bescheidene 27 Prozent ziehen das Auto – inklusive Taxis – vor. Ebenso viele erledigen ihre Wege zu Fuß. 7 Prozent nehmen das Fahrrad. 2010 waren es noch 4,6 Prozent.

Die Grünen, seit 2010 in der Stadtregierung als Juniorpartner der SPÖ, haben den Ausbau von Radwegen und öffentlichen Verkehrsmitteln schon im Wahlkampf auf ihr Banner geschrieben. Das Radwegnetz nimmt trotz schmaler Straßen beständig zu. Vor sechs Jahren waren es noch 1.174 Kilometer, heute sind es bereits 1.317.

Wien wächst jährlich um 30.000 Menschen und steuert auf die Zweimillionengrenze zu. Maria Vassilakou, Vizebürgermeisterin der Grünen, glaubt, die hohe Lebensqualität nur erhalten zu können, wenn der Individualverkehr abnimmt. Sie zog sich den Ruf als Autohasserin zu, als sie vor drei Jahren die Mariahilfer Straße, eine der wichtigsten Geschäftsstraßen, größtenteils in eine Fußgängerzone verwandelte. Es gab wütende Bürgerinitiativen und Widerstand der Oppositionsparteien FPÖ und ÖVP im Rathaus. Inzwischen haben auch die Geschäftsleute mit der neuen Flaniermeile gut leben gelernt. Gebührenpflichtige Kurzparkzonen machen den Autoverkehr in den inneren Bezirken weiter unattraktiv. Gleichzeitig wird die U-Bahn ständig ausgebaut und bindet auch die Stadtentwicklungs- und Erholungsgebiete an der Peripherie ans Zentrum an.

Dem Argument vieler Autofahrer, sie bräuchten das Vehikel für den Wochenendeinkauf, begegnet die Stadt Wien jetzt mit der Förderung von Lastenrädern. Ob privat oder für kommerzielle Zustelldienste: Die Stadt hat 200.000 Euro bereitgestellt, um die Anschaffung von Transportfahrrädern mit maximal 800 Euro bis zur Hälfte des Kaufpreises zu fördern.

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