Pullover gegen Stress im Test: Jetzt entspann dich mal

Unser Autor probiert den britischen Baker-Miller-Pink-Hoodie aus. Er kostet 260 Euro, soll gut sein vor Prüfungen und bei Flugangst helfen.

Eine Person trägt in einer Fußgängerzone einen rosafarbenen gummiartigen Kapuzenpullover, der das Gesicht maskiert.

Wer unerkannt bleiben will, aber trotzdem gerne auffällt, für den ist dieser Hoodie das Richtige Foto: Karsten Thielker

Der Tag hatte schlecht angefangen und wurde dann immer furchtbarer. Ich bin begraben unter einem Berg von Arbeit, ultrazickig und überhaupt komplett überfordert. Das Letzte, wofür ich jetzt Zeit habe, ist, 15 Minuten in einem Hightech-Pullover zu verbringen. Aber es soll helfen. Es soll doch helfen! Hersteller Vollebak preist seinen „Baker Miller Pink Hoodie“ als „the most relaxing piece of technical clothing“ und verkauft ihn deswegen für 220 £, umgerechnet 260 Euro. Er soll gut sein vor Prüfungen, bei Flugangst oder „to get some focus“. Fokus. Das brauche ich jetzt.

Ich ziehe den Hoodie an. Spontanassoziationen aus der Redaktion: Ninja, Außerirdischer, Biene, Darsteller eines Ritterfilms. Oder eines Pornos. Durch den Stoffsehschlitz verschwindet die Welt hinter einem blassrosa Schleier. Ich kann noch was sehen, aber nichts mehr erkennen, also auch nicht mehr lesen oder arbeiten. Stattdessen sitze ich unnütz und angespannt auf dem Sofa herum. Die für den Pullover gemachte Entspannungsmusik klingt wie Helikopterschrabbeln, aber ich kriege meine Kopfhörer eh nicht richtig in die Ohren, und ins Gesicht greifen geht ja nicht.

Mir ist außerdem viel zu heiß, die Luft im Pulloverinneren ist stickig. Ich atme die Innenseite an, und die wird eklig feucht. Nicht mal die Augen schließen darf ich, denn ich muss ja das Pink anschauen, um mich SO RICHTIG ZU ENTSPANNEN.

Ich höre meine Kollegen tippen und gehe ein wenig umher, auf die Dachterrasse. Draußen ist es besser mit der Luft, und das Weltraummaterial (erfundene Fakten) schützt vor den Minusgraden. Ich frage P., ob er mit mir auf die Straße kommt. Wir gehen zum Checkpoint Charlie, wie so Touristen, und er erzählt, dass mich viele Leute anschauen und dabei lächeln. Ich erkenne Silhouetten, aber keine Gesichter und finde das gut so.

6.000 türkische Spione gibt es angeblich in Deutschland. Ist Mehmet Fatih S. einer von ihnen? Er soll den Mord an einem kurdischen Funktionär geplant haben. Was passiert ist, lesen Sie in der taz.am Wochenende vom 18./19. Februar. Außerdem: ein Gespräch mit Bestseller-Autor und Gerichtsmediziner Michael Tsokos über die Opfer vom Breitscheidplatz. Und: Die Geschichte eines Amuletts, das im Vernichtungslager Sobibór gefunden wurde. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Und mich erkennt erst recht niemand, nicht einmal die Kollegin aus der Fotoredaktion, als wir auf dem Rückweg dort vorbeikommen. „Ich sehe, dass es ein Mann ist. An den Händen.“

Nur an den Händen? Egal. Ich bin schon viel entspannter, ich habe den Pullover jetzt ja auch schon doppelt so lang an wie vorgesehen. Hoffentlich habe ich keine Überdosis Pink. Den Rest des Tages bin ich gut gelaunt, schaffe Dinge. Ob das nun am 220-Pfund-Hoodie, einem Spaziergang in der frischen Luft oder der Begleitung von P. lag, vermag ich nicht zu sagen.

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