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Archiv-Artikel

Kaffee ist doch kein Teufelsgetränk

Über Kaffee gibt es zahlreiche Horrorgeschichten. Studien zeigen jedoch, dass Kaffee weder abhängig macht noch Rheuma auslöst

Unter den Freuden, die der Alltag unseren Sinnen schenkt, kommt wenig einer guten Tasse Kaffee gleich. Kaffee ist nach dem Wasser das beliebteste Getränk der Welt: Jährlich werden mehr als 400 Milliarden Tassen Kaffee getrunken.

Und dies, obwohl seit fast einem Jahrhundert gegen den Kaffee zu Felde gezogen wird. Aufwind erhielt die Anti-Kaffee-Bewegung in den Siebzigerjahren, als mehrere größere Studien den Genuss von Kaffee mit Herzerkrankungen, Magenbeschwerden oder Geburtsschäden in Verbindung brachten.

Obwohl sich später zeigte, dass den meisten dieser Studien methodische Probleme innewohnten, dauert der Streit bis heute an. Auch wenn neuere Untersuchungen inzwischen belegen, dass Kaffee weder für Herz- noch für Magenbeschwerden verantwortlich ist, warnen viele Ärzte vor der „flüssigen Droge“. Doch das Suchtpotenzial von Kaffee wird offenbar überschätzt. So bleibt eine Abhängigkeit weitgehend aus, und Kaffeeanhänger, die auf zehn bis zwölf Tassen am Tag kommen, steigern ihre Dosen nicht noch weiter, weil ihnen die anregende Wirkung des Kaffees erhalten bleibt.

Nach einer Studie der John Hopkins University in Baltimore üben zwei Tassen Kaffee täglich keinen negativen Einfluss auf den Blutdruck aus. Zwar geht mit dem Kaffeegenuss eine leichte Erhöhung des Blutdrucks einher, das Risiko nachhaltigen Bluthochdrucks besteht aber offenbar nicht. Und da es nur im nicht gefilterten Kaffee Stoffe gibt, die das Cholesterin im Blut ansteigen lassen, hat der Genuss von Kaffee üblicherweise keine Arterienverkalkung zur Folge. Auch von dem Verdacht, ein Gelenkrheuma auszulösen, wurde Kaffee inzwischen freigesprochen.

Mehrere Studien deuten sogar darauf hin, dass Kaffee die Gesundheit fördert. So haben Kaffeetrinker offenbar seltener Gallenblasensteine. Walter Willett von der Harvard School of Public Health stellte fest, dass Kaffee auch das Risiko von Nierensteinen senkt. „Vielleicht steht das in Zusammenhang mit seinem diuretischen Effekt“, meint Willett. Doch die harntreibende Wirkung des Kaffees ist nicht unumstritten. So untersuchte Lawrence Armstrong, University of Connecticut in Storrs, die Wirkungen von 500 mg Koffein täglich – und fand keine Anzeichen dafür, dass Kaffee den Harnfluss verstärkt.

Nahezu zwei Dutzend Studien weisen nach, dass Kaffeetrinker ein um 25 Prozent geringeres Risiko haben, an Darmkrebs zu erkranken. Auch die Gefahr, an Leberkrebs zu erkranken, ist bei Kaffeetrinkern offenbar geringer. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass Kaffee ein Antioxidanzien-Lieferant ist und damit schädliche freie Radikale abfangen kann. Menschen mit regelmäßigem Kaffeekonsum werden zudem seltener von Schüttellähmung befallen als Abstinenzler.

Trotz dieser Untersuchungsergebnisse kämpfen die Kaffeegegner weiterhin gegen ihr verhasstes Produkt. Manche glauben, dass Kaffee dick machen könne, weil es den Insulinspiegel erhöhen würde. Dies konnte jedoch in wissenschaftlichen Studien nicht bewiesen werden. Eine unter der Leitung von Rob van Dam durchgeführte Studie vom Dutch National Institute for Public Health and the Environment in Bilthoven wies nach, dass Menschen, die täglich mehr als sieben Tassen Kaffee trinken, damit das Risiko vermindern, an Diabetes Typ 2 zu erkranken.

Es darf jedoch nicht bezweifelt werden, dass Kaffee die Gesundheit in geringem Maße beeinträchtigen kann. So gibt es Untersuchungen, die bei Kaffeetrinkern ein leicht erhöhtes Risiko für schwächere Knochen gefunden haben. Und ob der Genuss von Kaffee in der Schwangerschaft schädlich sein kann, ist noch unklar. Michael Jacobson, leitender Direktor des Center for Science in the Public Interest, einer wichtigen US-amerikanischen Verbrauchergruppe, rät schwangeren Frauen, entkoffeinierten Kaffee zu trinken.

Wahre Kaffeefans glauben, dass alle Attacken gegen den Kaffee nur Stürme im Kaffeeglas sind. Denn es gibt eine natürliche Grenze des Kaffeegenusses: Trinkt man zu viel, fühlt man sich nervös und verängstigt und stoppt den Konsum sofort.

CLAUDIA BORCHARD-TUCH