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Archiv-Artikel

„Auch Hongkong muss scheitern“

Walden Bello, Kritiker des Welthandelsgipfels in Hongkong, sieht ein wachsendes Konfliktpotenzial zwischen Europa und den USA. Davon könnten die Entwicklungsländer profitieren. Der Einfluss der Handelsorganisation WTO müsse abnehmen

INTERVIEW STEPHAN KOSCH

taz: Herr Bello, an diesem Wochenende treffen sich die deutschsprachigen Globalisierungskritiker von Attac in Stuttgart, um ihre Strategie für den WTO-Ministerrat in Hongkong zu diskutieren. Sie sind dabei. Was schlagen Sie vor?

Walden Bello: Hongkong wird ein sehr entscheidender Ministerrat werden. Denn dort wird den Entwicklungsländern und der weltweiten Zivilgesellschaft nichts Positives angeboten. Wir müssen bei den Regierungsvertretern eine ähnliche Haltung wecken, wie beim letzten Treffen in Cancún.

Das Treffen dort ist gescheitert, Hongkong soll ebenfalls scheitern?

Um es positiv auszudrücken – wir müssen sicherstellen, dass der Rahmen der Entwicklung von Lasten für die Entwicklungsländer befreit wird. Das haben wir in Cancún geschafft, das müssen wir auch in Hongkong erreichen.

Wie wollen Sie das denn schaffen? Die Koalition der Entwicklungsländer, die G 20, sind sich nicht mehr so einig wie in Cancún.

Deshalb ist es jetzt wichtig, dass wir über nationale Kampagnen und die Zivilgesellschaft in den Entwicklungsländern Druck auf die jeweiligen Regierungen ausüben. Sie dürfen den Ländern aus dem Norden nicht nachgeben. Denn die wollen ihre riesigen Agrarsubventionen beibehalten und gleichzeitig einen leichteren Zugang zu den Märkten der Entwicklungsländer.

Es gibt Warnungen, dass ein Scheitern des Treffens in Hongkong ein Risiko für die Weltwirtschaft darstellen würde. Träfe das nicht auch die Entwicklungsländer selbst?

Das ist Propaganda. Den Interessen der Entwicklungsländer zu folgen, würde allen nützen, da dem Süden mehr Geld und Raum für die eigene Entwicklung zur Verfügung stehen würde. Der Weltwirtschaft und der Entwicklung im Süden würde am besten geholfen durch ein weltweites System der „Good Governance“, in dem die WTO nur eine schwache Rolle spielt.

Vor zwei Jahren haben Sie in der taz gesagt, dass die Globalisierung sich zu einem Imperialismus der USA entwickelt hat. Ist das noch immer so?

Ja, die USA wollen eine Globalisierung, die vor allem ihren Interessen dient: Schutz für die USA, freier Handel für den Rest der Welt. Die USA selbst sind einer der Hauptgründe für das Scheitern der Globalisierung. Das bringt sie in Widerspruch nicht nur zu den Entwicklungsländern, sondern auch zu Europa.

Kann denn die EU zu einem Gegenpol der USA werden? Bislang haben sich beide doch häufig die Bälle zugespielt.

Ich habe den Eindruck, dass die Konflikte zwischen beiden zunehmen. Nach dem Irakkrieg hat es viele weitere Streitpunkte gegeben, zum Beispiel in Umweltfragen wie beim Kiotoprotokoll. Und die Konflikte werden noch weiter zunehmen, politisch wie wirtschaftlich.

Könnte das eine Chance für die Entwicklungsländer sein?

Ja, bis zu einem gewissen Grad können sie daraus Vorteile ziehen. Denn die Dominanz der EU und der USA könnte durch solche Konflikte geschwächt werden. Aber darauf können wir uns nicht verlassen. Sowohl die Entwicklungsländer als auch die Zivilgesellschaft sollten nach einer grundsätzlich anderen weltweiten Ordnung streben, die wirklich Friede, Gerechtigkeit und Gleichheit respektiert.