: Durchrasste Früchtchen
Der Apfel als Identifikationsfigur für alle anderen deutschen Früchtchen ist ein Trugbild. Am Anfang stehen nämlich weder Adam und Eva noch ein germanischer Sonnenbaum, sondern eine gemeine Sortenmischung: Holzapfel und Zwergapfel haben sich durchrasst und damit dem Apfel erst zu Ruhm und Ehre verholfen. Ein Irrtum ist auch, dass der Apfel eine lupenreine deutsche Angelegenheit wäre. Seine Wiege steht nämlich nicht etwa im Alten Land bei Hamburg, sondern zwischen Euphrat und Tigris. Schon die Pharaonen hatten in ihren Pyramiden Vorfahren der kleinen Rubinette als Proviant in der mumifizierten Frühstücksbox.
Über 2.700 Apfelsorten gibt es allein in Deutschland. Darunter sind nicht nur Boskop oder Gravensteiner, sondern auch Knackfrüchte mit klingenden Namen wie Amerikanische Volltragende, Clapps Liebling, Gelber Richard, Sieger, Kuhfuß und Türkine. Der derzeit dickste Apfel der Welt kommt aus England und ist fast anderthalb Kilogramm schwer. Mit einem Durchmesser von 53 Zentimetern ist er etwa so groß wie ein Kinderkopf. Der kleinste Apfel der Welt wächst an einem Baum, der Japanischer Ebereschenapfel genannt wird. Seine kleinen Früchte an den langen Stielen sind nicht viel größer als Heidelbeeren.
Der Apfel ist ein Symbol der Macht und des Sieges. Nicht nur bei der ersten schriftlich überlieferten Olympiade 776 vor Christus wurde dem Sieger ein Granatapfel verliehen. Auch Herrscher aller Zeiten stellten neben dem Zepter mit einem goldenen Apfel ihre Macht zur Schau. Die Weltstadt New York trägt den Beinamen Big Apple, was auch auf ihre Macht und Größe hindeuten soll.
Am heutigen 1. Oktober treffen die Apfelfaschisten und die übrigen Braunen in Leipzig aufeinander. Christian Worch hat mit seinen Kameraden einen nationalen Marsch durch Leipzigs Südvorstadt angemeldet. Der Apfel-Führer darf dabei nicht fehlen.
Knackiges Anschauungsmaterial liefert der Kurzfilm „Boskopismus“ von Witja Frank. Mit seinem Dokumentarfilm hat der 24 Jahre alte Leipziger im Juli dieses Jahres den Kurzfilmwettbewerb „Replay: Resist! Protest- und Emanzipationsbewegungen in Leipzig und anderswo“ gewonnen. Zu sehen ist der Film am 7. Oktober beim 48. Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm sowie vom 13. bis 16. 10. in München auf dem Internationalen Kurzfilmfestival. CLAUDIA LEHNEN