THEATER

TheaterEsther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Das mythische Ding mit dem komischen Namen bedeutet Macht, Ruhm und Reichtum. Die Rede ist vom goldenen Vlies, bei dem es sich um das Fell eines göttlichen Widders namens Chrysomallos handelt. Er war der Sohn des Meeresgottes Poseidon und der Theophano. Poseidon hatte die Menschenfrau, die ihm gefiel, einfach entführt und auf die Insel Krumissa verschleppt. Als sie dort auch von anderen Männern bedrängt wurde, verwandelte Poseidon sie alle kurzerhand in Schafe oder Widder. So wurde auch sein Sohn Chrysomallos als Widder geboren, wenn auch mit goldenem Fell. Er konnte fliegen und sprechen, doch sein Schicksal blieb schwierig und am Ende wurde er dem Kriegsgott Ares geopfert. Die Erinnerung an ihn ist im Sternbild des Widders aufbewahrt. Und im Mythos des Goldenen Vlieses, seines Fells, das seitdem als die Trophäe aller Trophäen gilt, immer wieder neues Unglück produzierte, das mit Medeas Mord an ihren Kindern seinen blutigen Höhepunkt erlebt. Von diesem Unglück handelt die Tragödie „Das goldene Vlies“, die der österreichische Dichter Franz Grillparzer vor 200 Jahren schuf: eine frühkapitalistische Materialschlacht, die an Aktualität nichts eingebüßt hat, so wie darin Gier, Ruhmsucht und Rücksichtslosigkeit explodieren. Am Potsdamer Hans Otto Theater hat der Regisseur Alexander Nerlich jetzt die Geschichte inszeniert, Spezialist für schwere Stoffe und satte Atmos, woran auch die Bühnen-Soundtracks von Malte Preuß ihren Anteil haben (Hans Otto Theater Potsdam, ab 3. 2., 19.30 Uhr).

Als schwerer Stoff kann auch Rainer Werner Fassbinders „Katzelmacher“ von 1968 bezeichnet werden. Es war sein erstes Stück, von ihm selbst im Folgejahr verfilmt und der titelgebende Begriff ist ein abschätziger Ausdruck für fahrende Händler und Musikanten aus Südeuropa, der heute nicht mehr gebräuchlich ist. Das Stück schildert die bedrückenden Lebensumstände eines griechischen Gastarbeiters in der deutschen Gesellschaft. Das junge DT hat sich nun (wo die Kinder und Enkel der Gastarbeiter längst selbst Deutsche sind) den alten Stoff noch einmal vorgenommen, um ihn aus der Sicht der Gegenwart zu befragen (Deutsches Theater: „Katzelmacher“, ab 6. 2., 19 Uhr).

Im Theater an der Parkaue wird in die Zukunft geblickt, ins Jahr 2057. Dann nämlich leben wir längst in einer Gesundheitsdiktatur. Die Schriftstellerin Juli Zeh hat sich die bedrückende Geschichte „Corpus Delicti“ über einen Überwachungsstaat ausgedacht, in dem selbst der Pulsschlag staatlicher Kontrolle unterliegt. Es inszeniert Marie Schleef (Theater an der Parkaue im Prater, ab, 7. 2., 19 Uhr).