Berliner Szenen
: Keine Lust auf Einloggen

Steuern online

Was mir an radioeins gefällt, ist die Möbel-Höffner-Reklame

Es ist sechs Uhr morgens. Ich gehe auf die Toilette. Mache die Balkontür auf, schließe sie wieder, lege mich zurück ins Bett. Es ist angenehm unter den zwei Decken, weil es kalt ist im Zimmer. Ich versuche noch einmal einzuschlafen. Es geht leider nicht. Ich rauche eine Zigarette im Bett. Die Gute-Nacht- und Guten-Morgen-Zigaretten sind die besten, ein schöner Luxus, den ich mir in letzter Zeit wieder angewöhnt hatte. Ich fühl mich ausgeruht, aber mutlos. Wahrscheinlich werde ich es auch heute nicht schaffen, mich beim Steueronlineportal einzuloggen. Das sollte ich tun, denn ich hab Steuerschulden, Fristen laufen ab. Die Steuerschulden könnte ich mit der zu erwartenden Rückzahlung für 2016 ausgleichen. Doch dafür müsste ich die Steuererklärung für 2016 schnell machen. Die Zahlen hab ich mir schon notiert. Ich weiß aber nicht mehr, wie man in das Steuerportal reinkommt. Vor einem halben Jahr hatte ich es mal versucht, aber es hatte nicht funktioniert, und in den letzten Tagen fehlten mir Lust und Entschlusskraft, die Elster-Seite zu öffnen. Vor ein paar Tagen hatte ich es erst geschafft, die Kündigung der KSK zu öffnen. Zum Glück war die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen. Mein Brief war vermutlich von Thomas Melle beeinflusst. Nun ist es schon sieben. Es hat keinen Sinn mehr, liegen zu bleiben. Ich setze Kaffee auf. Im Radio läuft radioeins.

Vor vielen Jahren hatte ich den Sender mal eingestellt, und seitdem muss ich das hören. Das Einzige, was mir an radioeins gefällt, ist die Möbel-Höffner-Reklame. Esse zwei Scheiben Toast, sitze anderthalb Stunden am Laptop. Höre ohne richtige Freude David Brombergs berühmtes Lied „Mr. Bojangles“, an das ich im Bett gedacht hatte. Mit 16 hatte ich das Lied – in der Liveversion vom Isle-of-Wight-Festival – sehr gern gehabt. Nun finde ich nicht mehr hinein.

Detlef Kuhlbrodt