LeserInnenbriefe
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Integration durch Arbeit

betr.: „Dann kam der gefürchtete Brief“, taz vom 27. 1. 17

Dann kam der gefürchtete Brief, so ist es heute auch wieder. Nur sind die Betroffenen Afghanen, Nigerianer, Pakistaner, die mit großen Ängsten warten. Und warten, bis die Arbeitserlaubnis entzogen wird. Seit 19. Dezember 2016 wird auf Anweisung des CSU-Innenministers Hermann den Asylbewerbern aus Nigeria, Pakistan und Afghanistan die Arbeitserlaubnis entzogen beziehungsweise nicht mehr verlängert, obwohl das Asylverfahren noch läuft. Familienväter, die teilweise bereits seit Jahren gearbeitet haben, dürfen nicht mehr arbeiten. Sie werden gezwungen, Sozialhilfeempfänger zu sein.

Es wird ihnen bedeutet, dass sie wann auch immer zurückmüssen in ein für sie gefährliches Land, in den Unterkünften wartend, bis sie dran sind. Zum Ärger der Arbeitgeber, die ihre angelernten Arbeiter verlieren.

Die Helfer, früher willkommen im Landratsamt, weil sie Arbeit abnahmen, sind nun „Helfershelfer“ der „unberechtigten“ Asylbewerber, da ihr Herkunftsland als sicher eingestuft wurde. Es entstehen demütigende Situationen, weil die Helfer die indivi­duelle Leidensgeschichte kennen, über die sich nun standardisierend und überheblich hinweggesetzt wird.

Durch Arbeit können Bedürfnisse nach Sinn, individueller Erfüllung von Plänen und Zielen sowie Abwechslung erfüllt werden. Ist dies nicht der Fall, können Gefühle ausgelöst werden, die zu Depression oder Gewalt führen. Dies ist Politik: In einem halben Jahr wird die vom CSU-Innenministerium befohlene Arbeitslosigkeit vergessen sein. Die Asylbewerber sind wieder „Sozial­schmarotzer“, die Unfrieden in den Unterkünften haben (siehe bereits heute: 28./29. Januar, Münchner Merkur, Titelseite „Kriminalität in Bayern steigt“ – „Streit in Asylheimen hält Polizei in Trab“). Die Integration durch Arbeit, bei der dem Staat keinerlei Kosten entstehen, sondern im Gegenteil Steuern gezahlt werden, war in vielen Fällen erfolgreich. Nun wird eine unverantwortliche, nicht absehbare Destabilisierung in Gang gesetzt.

GUDRUN HOFMANN-DENK, SYLVESTER DENK,

Landkreis Freising

Eine griechische Kopfgeburt

betr.: „Verspannte Genossen“, taz vom 26. 1. 17

Insgesamt ein gelungener Beitrag von Stefan Reinecke mit zutreffenden Analysen und guten Schlussfolgerungen.

Zu dem Satz: „Den verächtlichen Blick der Aufsteiger auf die Globalisierungsverlierer kann sich die Sozialdemokratie nur bei Strafe des Untergangs weiter leisten“, ein paar Anmerkungen: Ich glaube, es sind mehr die Globalisierungsverlierer, die es weiterhin unterlassen, ihr Kreuz auf dem Wahlzettel bei irgendeiner SPD zu machen, als die von Verlustangst gequälten Mitglieder einer imaginierten Mittelschicht. Die haben bei den letzten Landtagswahlen bereits für die AfD gestimmt. Die eigentliche „German Angst“ ist wohl Verlustangst, und die Demokratie westlicher Prägung ist leider kein natürliches Phänomen. Sie ist eine griechische Kopfgeburt, die nur durch stetige politische (sic!) Bildung am Leben gehalten werden kann. Daran hapert es eindeutig, was durch die Tatsache belegt ist, dass auch sogenannte Gebildete die AfD wählen. Und außerdem wird Menschen auch in „unseren“ Demokratien (im Regelfalle) leider vermittelt, dass ebendiese Demokratie doch eher hinderlich sei.

SPD und Linke müssen Angebote auch für die Hoffnungslosen machen. Dazu gehört die Aussage: Für euch mit den Linken! „GroKo no!“ Kann sein, dass der bourgeoise Teil der SPD-Wählerschaft dann zu den Unfried-Grünen rüberwandert. No risk no fun. Im Zweifel geht auch „ökosoziale“ (© P. Unfried?) Opposition. H. W. HEINRICH, Bissendorf

Klage einreichen

betr.: „Gestern Sprachkurs, heute arbeitslos“, taz vom 30. 1. 17

Ich habe eine ähnliche „Situation“ mit dem Land NRW durchleben dürfen, wo man jahrzehntelang Soloselbstständige beschäftigt hat und sehr genau um die Problematiken von Scheinselbstständigkeit und Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wusste. Letztendlich traf es genau die, die geschützt werden sollten: solche wie mich.

Zusätzlich gilt bei öffentlichen Einrichtungen so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz des „Einmal raus, immer raus“. Mein Name ist quasi „verbrannt“ und ich habe keine Chance, jemals wieder im öffentlichen Dienst Fuß zu fassen (außer, ich lüge in meinem Lebenslauf).

Die Menschen, die übrigens für die Auflösung, Kündigung oder Nichtverlängerung der Verträge gesorgt haben, obwohl sie selbst jahrelang von der Problematik wussten, sind inzwischen alle befördert worden. Konsequenzen hatte das also keine für die „Mitwisser“ im Amt, im Gegenteil: dort Beförderung, hier Vernichtung der finanziellen Existenz.

Hinsichtlich der mir widerfahrenen „Einmal raus, immer raus“-Regel rate ich den Betroffenen des Goethe-Instituts dringend, Klage einzureichen. Das wird garantiert nicht für eine Wiedereinstellung sorgen, kann aber zu einer Abfindung führen, weil Arbeitsgerichte sehr stark dazu tendieren, einen Vergleich anzustreben (weil ein Vergleich sehr viel weniger Arbeit für die Richter ist). Oder sogar dazu, dass ein Gericht ein Angestelltenverhältnis erkennt und damit für die Betroffenen die Rentenversicherungsbeiträge nachgezahlt werden. (Raus ist man dennoch, da sollte man sich keinen Illusionen hingeben.)

Da der Prozess einmal in Gang gesetzt ist, sollten sich die Betroffenen auf keinen Fall darauf verlassen, dass „alles gut wird“. Sie sollten sich parallel tatsächlich woanders bewerben.

Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt