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Allein unter Möwen

BrüllenDer Bremer Musiker Ezzat Nashashibi machte aus dem Kinderbuch „Schreivogel“ einen sonderbar rauen Trickfilm. Nun ist Premiere

Der Trickfilm Schreivogel basiert auf dem Kinderbuch des Bremer Strafverteidigers Heinrich Hannover: Ein junger Mann schreit ständig. Erst holt ihn die Polizei ab, dann kommt er in die Psychiatrie. Als Ersatz für eine Kirchenglocke und Sirene eines Feuerwehrautos ist er eine Weile ein nützliches Mitglied der Gesellschaft. Doch schließlich ist er alleine mit den Möwen an einem Strand. Die verstehen seine Schreie und mit ihnen fliegt er aufs Meer hinaus.

Der Bremer Musiker Ezzat Nashashibi hat das Buch als Sechsjähriger geschenkt bekommen und als eines seiner Kinder sich als der Schreivogel der Familie entpuppte, holte er das Buch hervor. Nashashibi begleitet regelmäßig Stummfilme auf dem Klavier und vertonte bereits Trickfilme. Auch für Schreivogel hätte er gern die Tonspur komponiert und eingespielt. Aber da niemand das Buch verfilmte, schrieb er selbst das Drehbuch und setzte mit seinen ehemaligen Studentinnen Nanja Heid und Dana Kleinschmidt seinen ersten eigenen Film um.

Der Film ist etwa neun Minuten lang und in der sogenannten Legetechnik animiert. Gemalte Figuren und Kulissen, aber auch reale Materialien wie Sand, Pillen und Folie für das Wasser wie in der Augsburger Puppenkiste werden in Einzelbildern dazu fotografiert und immer um eine Winzigkeit verschoben. So entsteht die Illusion von Bewegung. Der Film ist einfach gehalten und sowohl die Figuren als auch die Kulissen wirken, als hätten Kinder sie gemalt.

Heid, die in Bremen die Firma Trickfilm betreibt, übernahm den größten Teil der Bastelarbeit mit der Kamera. Kleinschmidt, die eigentlich als Goldschmiedin arbeitet, entwarf die Kulissen und Nashashibi nahm die Tonspur auf. Er ließ seinen achtjährigen Sohn ins Mikro brüllen und verfremdete diese Schreie. In einer Sequenz etwa mischte er die Schreie mit ein wenig Kirchenglockengeläut. Nasha­shibi arbeitete viel mit Originalgeräuschen und arrangierte sie so, dass sie wie eine sonderbare, raue Musik klingen.

Die drei haben keine Förderung für ihren Film bekommen und jeder von ihnen hat im Laufe eines Jahres etwa 250 Stunden Arbeit in das Projekt gesteckt. Nach der Premiere im Bremer Kunstantiquariat Seitenblick läuft dort bis März eine Ausstellung mit Bildern, Kulissen und Arbeitsgeräten aus der Produktion des Films. Außerdem ist der Trickfilm dort ständig zu sehen. hip

Premiere des Trickfilms Schreivogel: Fr, 19 Uhr, Kunstantiquariat Seitenblick, Contrescarpe 45, Bremen

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