Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Diese Woche treten Michael Thalheimer und Frank Castorf zum großen Premierenduell an. Dem einen, Thalheimer nämlich, ist jeder Dramentext eigentlich schon zu viel. Er kürzt und kürzt, frei nach der SMART-Devise „Reduce to the max“, um die Essenz jeden Stückes aus dem Text herauszudestillieren. Dem anderen, Castorf, reicht der Dramentext alleine selten aus, um die Komplexität seiner Welt- und Menschenbilder darzustellen. Also fügt er hinzu, ergänzt, stellt um. Wobei die Herkunft des Ergänzungsmaterials die geringste Rolle spielt, solange es der Wahrheitsfindung dient. In dieser Woche kann man als Zuschauer untersuchen, welcher Methode man geneigter ist: Am Donnerstag hat in der Volksbühne Frank Castorfs Adaption des Dostojewski-Romans „Schuld und Sühne“ Premiere, der den Exegeten der Volksbühne zufolge wörtlich eigentlich mit „Überschreitung und Zurechtweisung“ übersetzt werden muss. In der Geschichte des Mörders Raskolnikow erkennt Castorf den Prototyp des modernen, gottverlassenen Menschen, der sein Gewissen einem Experiment unterzieht. Am Freitag liegt dann ein etwas älterer Prototyp des modernen Menschen unterm Seziermesser eines Theaterabends: Michael Thalheimers Inszenierung von Goethes „Faust. Der Tragödie zweiter Teil“ im Deutschen Theater. Da könnte man doch auch mal schauen, was es mit der „Strategie No. 2 – So leben wir“, der neuen Produktion im Theaterdiscounter, auf sich hat. Die will nämlich nach Strategien der Selbstvergewisserung im gegenwärtigen Klima der Desillusionierung und Angst fragen.In der Aktionsbank gibt es dagegen einen Theaterabend der Regisseurin Susanne Husemann, der sich auf der Basis intensiver Recherchen und Gespräche mit tschetschenischen Selbstmordattentäterinnen in „Frauen. Krieg. Terror“ befasst.