Susanne Knaul über den LKW-Anschlag in Jerusalem: Nicht im selben Boot
Die Ähnlichkeit zwischen den Lastwagenanschlägen in Jerusalem und Berlin ist augenscheinlich. Beide Male lenkten Terroristen ihre Fahrzeuge in eine Menge ahnungsloser Ausflügler, um kaltblütig möglichst viele Menschen zu ermorden.
Mit Vorsicht ist dennoch der Hinweis von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zu genießen, der Attentäter in Jerusalem sei, genau wie der in Berlin, Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ gewesen. Für den Palästinenser Fadi al-Kunbar mag der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt Inspiration gewesen sein. Sein Motiv war indes ein anderes als das von Anis Amri.
Der eine war Gast in Deutschland. Ihn trieb einzig der Hass auf alle, die nicht an seinen Allah glauben und sich nicht an die Regeln des Islam halten, so wie er ihn interpretiert. Während der eine wahllos Zivilisten mordete, um dann zu fliehen, zielte der andere auf Soldaten und nahm in Kauf, selbst sterben zu müssen.
Wäre al-Kunbar mit seinem Lastwagen nur ein paar Minuten früher an der Promenade vorbeigefahren, an der die Offiziersanwärter einen Zwischenstopp machten, dann hätten seine Kinder noch einen Vater, und die vier jungen Soldaten würden jetzt nicht unter die Erde kommen.
Während Amri seinen Anschlag plante, handelte al-Kunbar offenbar spontan und unter dem Einfluss eines Umfelds, für das Terror legitim, ja sogar ehrenhaft ist – weil es gilt, die Besatzung und damit verbundene Ungerechtigkeit zu bekämpfen.
Terror ist Terror ist Terror, und die Eltern der toten Soldaten interessiert die Motivation des Mörders wenig. Für die Politik birgt die Tatsache, dass es Gründe für die Verzweiflung gibt, die Palästinenser zu Selbstmordanschlägen bewegt, eine Chance. Anstatt dem Terror konstruktiv zu begegnen, entzieht sich Netanjahu seiner Verantwortung, wenn er ein Bild von Jerusalemern und Berlinern malt, die im selben Boot sitzen.
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