: SILVESTER
Silvester Philipp Rhensius, Beate Scheder,Ole Schulz
Flucht oder Angriff?
Silvester, das ist ein Schlachtfeld der Rituale, dem sich nicht mal die Phobiker entziehen können. Denn nicht explodierendem Plastik auszuweichen, kein Blei zu gießen oder die böse Vergänglichkeit in Zukunftssehnsucht zu sublimieren, ist auch ein Ritual. Deshalb plädiere ich auf: Angriff. Auf zum Brandenburger Tor, zur größten Silvesterparty Deutschlands, wo zuerst 6.000 Feuerwerkskörper und danach Live-Acts wie DJ BoBo,Marianne Rosenbergoder La Bouchegezündet werden. Wer bei dem Massen-Rave untergeht, kann sich ab 1 Uhr im Berghainbei einem dialektischen Techno-Set von Fiedeloder dem entrückten Ambient von Prurientseiner selbst vergewissern. Da Schlaf dem akzelerationistischen Vorhaben widerspricht, empfiehlt sich am Morgen der „Funky Jazz Brunch“in zwangsentspannter Sonntagsatmosphäre des Upside Down Restaurants in der Wallstraße in Mitte, bevor nachmittags das Schloss Charlottenburgzum Neujahrskonzertlädt, wo im, Zitat: „prächtigen Westflügel, bei Kerzenschein serviert, das 3-Gänge-Menü unseres Cateringpartners, dem 5-Sterne Marriott Hotel, den stimmungsvollen Auftakt für das Konzertereignis darstellt.“ PR
Zwischen Flucht und Angriff liegt Verteidigung. Da es ja bereits eine halbe Woche vor dem 31. knallt und kracht, ist Weglaufen keine Lösung. Am besten ist, sich davon nicht anstecken zu lassen. Wieso nicht ins Theater gehen, anstatt sich ums Raclette zu scharen? In der Schaubühne läuft die Tragödie „Fräulein Julie“ (Kurfürstendamm 153, 18 Uhr) um die Mesalliance zwischen der adligen Julie und ihrem Diener Jean – passend zur Nacht, in der sich so manches ungleiche Paar finden wird;im Deutschen Theater u. a.die Kriegenberg-Inszenierung „Ein Käfig ging einen Vogel suchen“ (Schumannstr. 13a, 19.30 Uhr) nach Erzählungen Kafkas. BSH
Eigentlich würde ich am liebsten die Flucht ergreifen, weil: Silvester = Stress. Um die Nacht zu überstehen, sollte man sie gaaanz langsam angehen – mit Freunden „Dinner for One“ im Fernsehen schauen(u. a. NDR, 19.40 Uhr). Dabei kann man am lebenden Objekt beobachten, wohin ungezügelter Alkoholkonsum führen kann. Wer dann doch feiern möchte, kann sich beim trashigen Tribute-to-The-Dead-Coverabend im Schokoladen eingrooven,u. a. mit dem Metall-Duo 100000 Tonnen Kruppstahl und den Post-Punkern Big Eater (Ackerstr. 169, 20 Uhr). Wenn sich die Knallerei gelegt hat, geht’s weiter zur feinen Music-Bar Soulcat in Neukölln. Dort legt Haus-DJ Mr. Krawallisch Soul und Garage auf (Pannierstr. 53, 22 Uhr). Entspannt geht aber anders. Das Soulcat feiert achten Geburtstag. Also doch Angriff? OS
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