ANNE HAEMING DER WOCHENENDKRIMI
: Rachsucht und Polizistenehre

Dies ist eine Ode an Martin Wuttke. An sein Gesicht mit den Falten, die sich wie Endmoränen über die Stirn schieben, wenn er seine Augenbrauen hochzieht; an die schwarzen Augen, bei denen ein einziger, blitzender Blick genügt, um zu gehorchen; und an seine verbrauchte Stimme, die so herrlich nuanciert zwischen Süffisanz und Ernsthaftigkeit schwankt.

Das sei an dieser Stelle mal gesagt, weil über den Leipziger „Tatort“ so gern gelästert wird: Das Duo Keppler (Wuttke) und Saalfeld (Simone Thomalla) agiert um Längen natürlicher als die Satz-Aufsage-Maschinen Klara Blum (Eva Mattes in Konstanz) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli in Kiel) zusammen. Schon allein, um das zu beobachten, lohnt sich die Folge „Todesschütze“ (Regie: Johannes Grieser, Buch: Mario Giordano, Andreas Schlüter). Erfreulicherweise ist der Fall dieses Mal an einem Alltagsthema aufgehängt: Ein Ehepaar mischt sich ein, als drei Hänflinge andere in der Straßenbahn anpöbeln – und wird prompt selbst zusammengeschlagen. Zu dumm, dass einer der drei der Sohn eines Polizisten ist. Und der Streifenpartner dieses Polizisten erst ankündigt, den Sohn zu verpetzen – und daraufhin erschossen wird.

Es ist ein echter Männer-„Tatort“: Da ist Wotan Wilke Möhring, sonst auf Lover-Typen abonniert, als Streifenbulle, der zwischen seiner Polizistenehre und dem Impuls schwankt, seinen Sohn zu beschützen. Da ist Stefan Kurt (der auch nach 16 Jahren noch wie Dieter Wedels „Schattenmann“ wirkt) als verprügelter Ehemann, der sich nach dem Überfall rächen will. Und da sind vor allem die Halbstarken, die die Gruppendynamik zwischen Anführer (Antonio Wannek), Minderbemittelten (Vincent Krüger) und Mitläufer (Jonas Nay) so großartig spielen, dass selbst Satzfetzen wie „Mann, laber nicht, ey, du Penner – hä?“ total klischeefrei wirken. Ihr bester Dialog: „Meine Frau liegt im Koma.“ – „Im Koma lieg ich jedes Wochenende!“

Leipzig-„Tatort“: „Todesschütze“; Sonntag, 20.15 Uhr, ARD