: Die Verkäuferin
Wie machen Sie das?
Ekaterina Neff, 24, arbeitet neben ihrem Studium als Verkäuferin beim Kosmetikladen L’Occitane im Berliner Hauptbahnhof – auch am 24. und25. Dezember.
taz. am wochenende: Frau Neff, die allermeisten sitzen an Weihnachten im Kreis ihrer Lieben um den Tannenbaum, Sie stehen hier allein im Laden. Wie machen Sie das?
Ekaterina Neff: Ich bin ja nicht allein im Laden: lauter chaotische Leute, die es verplant haben, Geschenke zu besorgen. Dann bildet sich eine Riesenschlange und alle sind total gestresst, nach dem Motto: „Mein Zug fährt gleich, können Sie sich mit dem Einpacken nicht beeilen?“ Und ich denke: Tut mir Leid, ist doch nicht mein Problem, dass du mit allem so spät dran bist.
Begegnen Sie während der Feiertage auch einsamen Menschen?
In dieser Zeit suchen viele Obdachlose im Bahnhof Schutz vor der Kälte – die Läden außerhalb sind ja geschlossen. Einige von diesen einsamen Seelen, die nie etwas kaufen, kenne ich schon. Zum Beispiel eine ältere Frau im Rollstuhl, die oft zu uns kommt, um ein bisschen an den Seifen zu riechen.
Vermissen Sie es, Weihnachten bei Ihrer Familie zu sein?
Meine Kollegen und ich haben einen Deal: Ich mach Weihnachten, dafür kann ich Silvester wegfahren. Ich bin gebürtige Russin, meine Familie feiert nach russisch-orthodoxer Tradition erst am 6. Januar. Mir ist der24. Dezember nicht so wichtig.
Wie feiern Sie denn dann im Januar?
Recht traditionell. Wir gehen in die Kirche, es gibt ein großes Essen, und das war’s. Keine Geschenke. Das ist ja auch blanker Materialismus. Obwohl ich hier arbeite, bedeuten mir das nichts. So auf die Schnelle zusammengepackte Sachen, nichts davon kommt von Herzen.
Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?
Eine Gehaltserhöhung! Für die Läden im Bahnhof gibt es weiterhin keinen Feiertagszuschlag.
Interview Dilbahar Askari
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen