FU-Präsident Lenzen abgestraft

UNIPOLITIK In Hamburg soll er Unipräsident werden, in Berlin bekommt Lenzen für seinen Führungsstil eine Ohrfeige – von Wissenschaftssenator Zöllner

Es ist eines der Topgerüchte in der Uniszene: Bei den Vorstellungsgesprächen über die zukünftige Leitung der Universität Hamburg soll der umstrittene Präsident der Freien Universität (FU) Berlin, Dieter Lenzen, am heutigen Donnerstag die besten Aussichten auf den Posten haben. Was Hochschulrat und Akademischer Senat in Hamburg bislang allerdings noch nicht wussten: Will Lenzen beim Stelldichein in Hamburg einen gesunden Eindruck hinterlassen, muss er das blaue Auge kaschieren, das Berlins höchster Wissenschaftsrepräsentant, Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), ihm gerade verpasst hat.

Es geht um die „Scharenberg-Affäre“ an der FU, bei der Lenzen 2007 – entgegen allen fachlich anders lautenden Urteilen der Gutachter und Auswahlkommissionen – dem Favoriten Albert Scharenberg eine Professur verweigert hatte. Offenbar weil Scharenberg dem Unipräsidenten zu links gewesen sein soll.

Bundesweit wurde damals über die Affäre berichtet; 200 WissenschaftlerInnen aus aller Welt warfen Lenzen in einer ganzseitigen Zeitungsanzeige vor, Professuren „nach politischer Opportunität“ zu besetzen. Lenzen kassierte den Vorschlag dennoch, besetzte die Kommission neu und wies sie an, einen anderen Kandidaten vorzuschlagen. Das Bewerbungsverfahren begann von vorn, Scharenberg verschwand von der Liste.

Zwei Jahre später – zu einem für Lenzen denkbar ungünstigen Zeitpunkt – setzt nun der Wissenschaftssenator mit einer Ohrfeige für den Unichef nach. Zöllner hatte über die Berufungsliste zu entscheiden, auf der Scharenberg verschwunden war und nur noch zwei Namen standen. Eigentlich Formsache. Doch der Senator verweigerte sich den Vorschlägen und kippte das pikante Verfahren komplett.

Das bestätigte nun auch das FU-Präsidium der taz – und geht in die Offensive: Nicht Lenzen sei befangen gewesen, sondern die Kommission, die seinerzeit Scharenberg überhaupt nominiert habe. Lenzen habe in dem umstrittenen Bewerbungsverfahren lediglich seine Rechtsaufsicht wahrgenommen. „Insofern“, so ein Unisprecher, „sind die Behauptungen mit Entschiedenheit zurückzuweisen, die Beendigung des Verfahrens durch den Senator sei dem Präsidenten zuzuschreiben“.

Diese Töne sind neu. Zuvor hatte Lenzen derartige Vorwürfe meist ausgesessen. Auch bleibt die Frage: Wenn Lenzen seit zwei Jahren nur Rechtssicherheit gewährt hat – wieso hat der Senator dann noch immer was zu meckern? Zöllner wollte sich am Mittwoch nicht gegenüber der taz zu der Sache äußern.

Lenzens Willkürpolitik

Was nur wie ein Detail dröger Hochschulpolitik klingt, ist in Wirklichkeit ein spannendes Politikum: Denn während der Berliner Senat im Fall Scharenberg offenbar nicht riskieren wollte, für Lenzens politische Willkürpolitik in Sippenhaftung genommen zu werden, riskieren in Hamburg nun Hochschulpolitiker ein ebensolches Desaster. Dort könnte am Donnerstag entschieden werden, wer die Universität in Zukunft führen soll. Lenzen ist ein heißer Kandidat – wenn er nun nicht selbst zum politischen Missgünstling wird.

Denn an Hamburgs Uni herrscht ohnehin schon Unruhe, seit die autoritäre Unipräsidentin Monika Auweter-Kurtz (Spitzname: „Raketen-Moni“) im Juni wegen ihres rücksichtslosen Führungsstils aus dem Amt geputscht worden war. Auch sie hatte Erfahrung mit offenen Briefen, in denen 120 Professoren ihre Abwahl forderten. In Berlin dürften – von Zöllner bis zu den Studierenden – viele froh sein, wenn sie den oft überstolzen und unnahbaren Unichef loswerden. Und in Hamburg würde Lenzen sicher einschlagen wie eine Rakete. MARTIN KAUL