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Wie verrückt gezwitschert

KUNST-MUSIK In der Charlottenburger Galerie Mathew ist noch bis Ende des Jahres eine Ausstellung zum brückenschlagenden Schaffen von Ursula Block und ihrer Ladengalerie Gelbe Musik zu sehen

Ein bisschen „His Masters Voice“ ist auch dabei: Nam June-Paiks „Für Ursula“ Foto: Gunter Lepkowski

von Andreas Hartmann

Sieht so aus, als habe sich nichts verändert, seit Ursula Block ihren Plattenladen mit Galeriebetrieb in der Charlottenburger Schaperstraße vor zweieinhalb Jahren geschlossen hat. Noch immer hängt das Schild mit der Aufschrift „Gelbe Musik“, regelmäßig schließt Ursula Block ihren alten Laden auf, um in dessen Räumlichkeiten Zeit zu verbringen. Nur wartet sie nicht mehr auf Kundschaft, die bei der Suche nach experimenteller Musik und Klangkunst beraten werden möchte, sie widmet sich ihrem Archiv.

Das Ineinandergreifen

Mehr als 30 Jahre lang betrieb sie „Gelbe Musik“, einige bedeutsame Ausstellungen über ihr Spezialgebiet, das Ineinandergreifen von bildender Kunst und Musik hat sie in dieser Zeit dort und anderswo realisiert. Eine Menge Material ist da zusammengekommen. Zu der von ihr kuratierten Ausstellung „Broken Music“ ist ein Katalog über Schallplatten, deren Cover von Künstler gestaltet wurden, erschienen. Er gilt als Standardwerk zum Thema.

„Was ich genau vorhabe mit dem Archiv, weiß ich immer noch nicht“, sagt Ursula Block, drei Häuser neben der „Gelben Musik“ in der Galerie Mathew. Oft würde sie Interessierten auf Anfrage Einblicke in ihre Sammlung gewähren. In der Mathew Gallery gibt es noch bis Ende Dezember eine Art Hommage an die sehr spezielle Ladengalerie Blocks, die auch international bekannt war. Die Kunsthistorikerin Fiona McGovern trat mit Ursula Block in Kontakt und schlug ihr die originelle Idee vor, in unmittelbarer Nachbarschaft zur eigentlichen Adresse „Gelbe Musik“ noch einmal mit einer Ausstellung zu würdigen. Und das in einer Galerie, die auch an der Verbindung von Kunst und Musik interessiert ist. David Lieske und Peter Kersten, Betreiber von Mathew, sind selbst Musiker und Inhaber des Elektronik-Labels Dial.

Fiona McGovern kramt außerdem ein paar Platten des Labels hervor, die von bildenden Künstlern gestaltet wurden. Ursula Block erklärt, es gäbe inzwischen starkes Interesse daran, ihren alten Katalog zur „Broken Music“-Ausstellung neu aufzulegen. „Aber nur in einer aktualisierten Version“, sagt sie. Vielleicht denkt sie dabei auch an so manche Platte, die Lieske und Kersten in den letzten Jahren auf Dial veröffentlicht haben.

Die Ausstellung in der Mathew Gallery unterstreicht erneut die enge Verbindung, die Ursula Block zu ihren Künstlern hatte und hat. Viele der ausgestellten Objekte sind Geschenke an die Galeristin und mit Widmungen versehen, wie etwa der Hund vor dem Fernseher, einer Arbeit des Medienkünstlers und Nebenbei-Musikers Nam June Paik, auf dem „Für Ursula“ zu lesen ist. Die Schau ist als Verneigung vor Block angelegt, und die zierliche Dame lässt es sich nicht nehmen, einen persönlich durch die Ausstellung zu führen.

Die Schau zeigt die enge Verbindung, die Ursula Block zu ihren Künstlern hatte

Sie erzählt, was es auf sich hat mit der eigentümlichen Partitur des dänischen Fluxus-Komponisten Henning Christiansen zu seinem Werk „Tarogato und Kanarienvögel im Meeresraum“ (1985), die hier an der Wand hängt, und wie das Stück auch tatsächlich bei ihr in der Galerie aufgeführt wurde. Die gelben Kanarienvögel seien vier Wochen vorher vorbeigebracht worden, um sich an die räumlichen Gegebenheiten zu gewöhnen, hätten dann aber, so wie es sich der Komponist vorgestellt hatte, „wie verrückt gezwitschert“. In einer der Vitrinen ist auch der berühmte Koffer mit „Chören & Soli“ von der Berliner Band Tödliche Doris zu sehen, ein ungewöhnliches Tonträgerformat mit seinem Inhalt, acht Miniplatten und einem dazugehörigen batteriebetriebenen Abspielgerät.

Die Autogrammstunde

Das ist ein Unikat der lokalen Postpunkszene, das Ursula Block 1983 als Mischung aus Schallplatte und Kunstedition veröffentlicht hat. Es gibt Fotos und Korrespondenzen mit Diamanda Galas („Mit der habe ich mich immer gut verstanden“), Laurie Anderson („Die war zur Autogrammstunde bei mir im Laden. Es sind aber nur um die 25 Leute gekommen“) und Christian Marclay, mit dem Block schon Projekte zum Thema Schallplattenkunst verwirklichte, bevor er der geachtete Kunststar wurde, der er heute ist. Ursula Block erzählt so liebenswürdige Anekdoten über ihre Arbeit, dass man sie einfach fragen muss, ob sie nicht doch noch einmal Lust hätte, drei Häuser weiter ihren Laden wiederzueröffnen. „Nein, ich bin über 70, irgendwann musste einfach Schluss sein“, wiegelt sie ab. Aber wenn die Ausstellung „Gelbe Musik“ im Frühjahr nach New York weiterziehen wird wie geplant, werde sie definitiv zur Vernissage anreisen.

„Gelbe Musik“, Mathew ­Gallery, Schaperstr. 12, Do.–Sa. 13–18 Uhr. Bis 31. Dezember

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