Berlinmusik
: Tänze und Wendungen

Liebe zum Klang. Ohne die wäre elektronische Musik kaum denkbar. Das heißt, denkbar schon. Doch man möchte lieber nicht genauer darüber nachdenken, was für Ergebnisse von einer solchen Musik zu erwarten wären. Die Liebe zum Klang bringt im Idealfall eine gesteigerte Aufmerksamkeit auf Details mit sich, eine sehr bewusste Auswahl an Mitteln und – je nach Talent der Beteiligten – eine Erweiterung dessen, was im theoretisch unendlichen Kontinuum an Gestaltungsmöglichkeiten der Klangsynthese so geht.

Rashad Becker, der auf einer Vielzahl von Schallplatten durch sein Mastering verewigt ist – bei Duplates & Mastering und in seinem eigenen Studio Clunk –, legt schon zum zweiten Mal seine „traditionelle Musik imaginärer Gattungen“ vor. Woher diese Gattungen kommen, verrät Becker nicht, er versammelt lediglich eine Reihe von „Themes“ und „Dances“, die diesen Fantasiewesen zugeordnet sind.

Und nach reichlich Fantasie klingt auch die Information, die Becker in diesen Nummern weitergibt: Seine Vorstellung von elektronischer Musik kennt keine Routinen und Klischees, sondern will ganz eigene Sprache sein, wie es etwa in der heroischen Phase der akademischen Elektronik angestrebt wurde. Becker gibt sich zwar abstrakt in dem Sinne, dass er kaum an vertraute Strukturen anknüpft, Melodien und Rhythmen in der handelsüblichen Form finden sich bei ihm keine. Blutarme Abstraktion kann man ihm jedoch keine vorwerfen: Seine Art, Klänge miteinander in Dialog zu bringen, hat etwas Körperlich-Direktes, fast Zupackendes. Nur dass man nicht recht weiß, was einen da packt.

Eindeutiger verfährt da das Duo Barker & Baumecker, was sich schon dadurch erklärt, dass die Produzenten regelmäßig im Berghain und anderswo auf der Welt die Menschen zum Tanzen bringen. „Turns“, ihr zweites Album, erweist sich andererseits als begrenzt berechenbare Exkursion in beatbasierte Gebilde. Hier geht es um Körper in Bewegung, doch ebenso um elektronische Strukturen im zweckfreien Spiel. Mitunter gibt es beides im selben Track – daher der Albumtitel. Zu sagen, diese Platte tauge genauso für zu Hause wie für den Club, trifft es allerdings nicht vollständig. Diese Musik will bewusst erlebt werden, als Klang, zugleich mit dem Körper, an einem Ort, wo dieser nicht bei der erstbesten Drehung eine Vase vom Regal fegt. Oder so. Tim Caspar Boehme

Rashad Becker: „Traditional Music of Notional Species Vol. II“ (PAN)

Barker & Baumecker: „Turns“ (Ostgut Ton), live 10. 12., Berghain