: Die Erben der Nazi-Christen
bremen
In Bremen wird die CDU angeführt von einem gewissen Jörg Kastendiek. Der war einmal Bausenator und ist dann wieder zurück in die Bauwirtschaft gewechselt und hält sein Charisma, seine Redegewandtheit und seinen politischen Scharfsinn bestimmt nur so gut verborgen, um eines Tages mal ganz groß damit rauszukommen. Das wird dann eine Überraschung. So lange aber führen die Christdemokraten an der Weser ein eher unspektakuläres Dasein: Neulich habe ich einen alten Hasen der Politikanalyse über seine Meinung zum gegenwärtigen Zustand der Bremer CDU befragt, und er brach spontan in Gelächter aus.
Das war meistens so, aber nicht immer, und ist vermutlich eine Folge der spezifischen Bremer Parteienkonstellation. Die ist geprägt durch eine SPD-Hegemonie, die sich entwickelt hat, seit sich die Sozialdemokratie hier infolge des Traumas der Räterepublik von 1919 nicht mehr als Partei des Klassenkampfs, sondern gegen den Klassenkampf versteht – als Sammelbecken für alle vom Kaufmann bis zum Kleinbürger.
Damit blieb in Bremen dem politischen Katholizismus, aus dem 1947 der Impuls zur Gründung einer christlichen Partei kam, strategisch nur die Wahl: Es ehrenvoll bleiben zu lassen oder sich eng mit der Reaktion zu verbünden. Also Nazichristen aufzunehmen, zu denen das Bürgertum, auf das spätere Programme der Union abzielten, gerade lernte, auf Distanz zu gehen. Gewählt wurde letztere Option, und seither gibt es die CDU Bremen, und im Juni hat ihr Angela Merkel zum 70. Geburtstag gratuliert, mit einem recycelten Brief, den sie zuvor an den Landesverband Berlin zum gleichen Anlass geschickt hatte, allerdings war das Wort Berlin durch das Wort Bremen ersetzt worden.
Nun sind die katholische Soziallehre und religiös überhöhter Nationalismus mindestens gegenläufige Tendenzen. Sie zusammenzuhalten funktioniert im konservativen Milieu am ehesten mit einem autoritären Ansatz, sodass die CDU unter dem intentionalen Bücherverbrenner Bernd Neumann einen historischen Moment als Machtfaktor erleben konnte. Zusammen mit Henning Scherf (SPD) bildete man zehn Jahre lang eine große Koalition, die von Bund und Ländern bereitgestellte Sanierungshilfen in glänzend scheiternde Großprojekte steckte.
Bei der Bürgerschaftswahl 2015 traute sich keiner der Neumann-Buben, als Spitzenkandidat aufzutreten, weshalb die eiserne Elisabeth Motschmann als Neumann-Witwe und Trümmerfrau auf rosa Pumps durchs Viertel trippeln und geradezu gewalttätig lächeln musste, damit die CDU überhaupt ein Gesicht hatte. Für die Zukunft wird man entweder die reaktionären Reste absprengen müssen, oder sich mit der AfD verbünden. bes
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