piwik no script img

der rote faden Muss die Debattenschleuder Facebook an die Leine?

durch die woche mit

Meike Laaff

Zwei Wochen hat es gedauert. Dann endlich hat Face­book-Chef Mark Zuckerberg es fertiggebracht, ein Taschentüchlein aus der Verpackung zu fummeln und auf den Haufen Kot zu legen, der in seinem sozialen Netzwerk vor sich hin pestet. Indem er auf Facebook nun Maßnähmchen angekündigt hat gegen Fake News – jene Falschmeldungen, die während des US-Wahlkampfs jede Menge Unsinn verbreitet haben und dennoch munter auf Facebook geteilt wurden.

Fake News

Technisch wolle man das Problem angehen, hieß es wolkig. Deutlicher zeichnete sich in dieser Woche ab, wie Face­book künftig das Regime in China umschmeicheln will: Laut der New York Times will der kalifornische Konzern dort eine Software anbieten, mit deren Hilfe eingesehen werden kann, welche populären Geschichten in seinem Netzwerk hochkochen. Diese Software soll dann einer dritten Partei – aller Wahrscheinlichkeit nach einem chinesischen Konzern – zur Verfügung gestellt werden, auf dass diese die Facebook-Inhalte beobachte und direkt entscheiden könne, was politisch harmlos genug ist, um es Chinas Facebook-Nutzern anzuzeigen.

Klingt, als könne dabei nichts Gutes herauskommen – und als wiesele sich Facebook einmal mehr aus der Verantwortung? Wohl wahr. Andererseits lohnt das Gedankenexperiment, wie man dieselbe Ankündigung wohl beurteilen würde, wenn man China durch Heiko Maaß ersetzen würde. Was, wenn in Deutschland eine Drittpartei Einblick in populäre Facebook-Inhalte bekommen würde, um Hatespeech hierzulande zu blockieren?

China

Facebook sonnte sich lange in der Erzählung, dass auf dem Tahrir-Platz Frühlingsdemokraten Schilder hochhielten, auf denen dem sozialen Netzwerk für seine Verdienste um die Revolution gedankt wurde. Spätestens jetzt zeigt sich, dass diese Medaille auch andere Seiten hat.

Ohne zu viel Mitleid für einen der mächtigsten Konzerne aufbringen zu wollen, bleibt das Dilemma: Will man in Deutschland oder den USA nicht hinnehmen, dass bei Facebook praktisch alles geht, was keine nackten Brustwarzen sind, dann eröffnet man auch weniger demokratischen Ländern die Möglichkeit, Facebook dreinzureden, was anzuzeigen ist und was nicht. Die Frage, ob man das im Fall von Ländern wie Saudi-Arabien wirklich will, ist schnell beantwortet. Die nach einer umfassenden Lösung nicht.

Breitbart

Ja, Facebook ist ein Konzern, der Unterhaltungen organisiert. Einziges Ziel ist dabei aber maximaler Profit. Dass 44 Prozent aller US-Erwachsenen ihre Nachrichten dort konsumieren, ist durchaus gewollt – egal ob CNN oder Breitbart News. Hauptsache, sie verweilen möglichst lange und vervollständigen so die Profile, die Facebook über sie erhebt und vermarktet. Gesinnungsfragen sind Facebook egal, es sei denn, das Geschäftsmodell ist bedroht. Redaktionelle Verantwortung – nichts läge ihm ferner.

Für Deliberationsprozesse ist das ein Desaster: Fake News plus Social Bots plus Filterblasen – das fragmentiert und polarisiert. Alle Visionen von superaufgeklärten Öffentlichkeiten, die davon profitieren, dass das Netz Informationen für alle zur Verfügung stellt, haben sich ins Gegenteil verkehrt. Gesteuert von Algorithmen, individualisierten Nachrichtenströmen und verborgenen Klassifizierungen, leben wir längst in einer Art Antiaufklärung.

Wahlcomputer

Weit über soziale Netzwerke hinaus: Welche Informationen, Preise, Konditionen wir angeboten bekommen, wie wir klassifiziert werden, errechnen Maschinen. Die produzieren Quatsch, wenn wir sie schlecht oder voreingenommen programmiert haben: Garbage in, garbage out, nennen Programmierer das.

Allerdings: Viel mehr Garbage als ein Trump als Präsident der Vereinigten Staaten kann ja kaum rauskommen. Womit ich natürlich in die Unernsthaftigkeitsfalle tappe. Viel zu viel wurde 2016 einfach weggelacht, statt entschieden zu widersprechen. Auch das eine Folge von Filterblasen: Besserwisserhumor im Schoß der eigenen Peergroup fühlt sich zwar gut an, dokumentiert aber vor allem die eigene Hilflosigkeit angesichts des Wahnsinns ringsherum.

Dazu passt die Wahlcomputer-Volte in den USA: Nach Kritik von IT-Experten verlangen Aktivisten nun eine Neuauszählung in Michigan, Pennsylvania und Wisconsin, in der Hoffnung, ein Trump als President elect sei nur ein technischer Fehler oder ein obskurer Hack. Dumm nur, dass selbst die kritisierenden Experten nun zurückrudern: Theoretisch sei das möglich, klare Beweise für Manipulation hätten sie aber nicht. Was die Aktivisten kaum stört. Und zeigt: Blasen von gefühlten Wahrheiten zur Unterfütterung der eigenen Weltsicht – das gibt es nicht nur bei den Neurechten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen