: Diese verflixte Sache mit dem Überbau
Materialismus In unserer Wohlstandsgesellschaft ist Schenken nicht nur eine Frage der Nützlichkeit. Konsum soll auch unsere Werte widerspiegeln. Aber welche – und wie? Eine Shoppingtour
von Jana Janika Bach
Küchenmesser, Korkenzieher und Zahnpasta – bloß schnöde Gebrauchsartikel? Mitnichten! Es sind die neuen Statussymbole. Ein Auftritt mit Porsche, Rolex oder Pelzstola hingegen käme einem sozialen Suizid gleich, wenn er denn ernst genommen würde. Das ist beinahe schon Gesellschaftskanon. Wer nicht als prollig, peinlich und einfallslos gelten will, sondern etwas auf seinen guten Geschmack hält, der sammelt Praktisches nicht bei Karstadt und Co. ein, sondern kauft in unabhängigen Läden oder Manufakturen. Im kleinen Kreis sozusagen, denn die vermeintliche Kennerschaft einer Konsum- und Bürgerelite hat den Alltagsgegenstand zum Objekte der Begierde erhoben.
Ein Indiz dafür, dass dieser Trend nicht ganz so subversiv verläuft, ist die Kampagne „Shop small!“, geschaltet von American Express. Die doch recht große Kreditkartenfirma warb so für eine Stärkung des kleinen, lokalen Einzelhandels. Wo eingekauft wird, ist also entscheidend, aber auch das Produkt selbst muss bestimmte Kriterien erfüllen, um ein geschultes Auge und eine Klientel zu überzeugen. Ob Gesichtscreme, Kuchenform oder Sitzkissen, verträglich für die Umwelt sollte es sein, langlebig, also qualitativ hochwertig, materialgerecht verarbeitet, funktional solide und natürlich politisch korrekt hergestellt.
Was als zartes Pflänzchen erwuchs, weg von einer kapitalistischen Warenwelt, hin zu gepflegter Kultur der funktionalen, aber schönen Dinge, hat mittlerweile enorme Auswüchse angenommen. In wissenschaftlichen Diskursen fragt man sich noch, wie eine Ökonomie des Teilens funktioniert und ob Besitz bedeutungslos wird. Auf dem Marktplatz, wo bereits mit Fairtrade-Angeboten, Ökostrom und alternativen Kapitalanlagen gehandelt wird, hat sich inzwischen längst ein weiteres hart umkämpftes Lifestyle- und Living-Segment etabliert.
Bestes Beispiel, dass sich der Trend um die schmucke Alltagswelt im Mainstream platziert hat, ist Til Schweigers Onlineshop „barefootliving.de“. Hier gehe es um „ein Lebensgefühl, um Lachen, Wohlfühlen und Relaxen“. Von der hier käuflich zu erwerbenden Milchkanne bis zur Zirbenseife ist alles im Stile des Schauspielers und Geschäftsmann gehalten, „eine Mischung aus East Coast, Skandinavien und Mallorca, natürlichen Materialien, schlichtem Design und Erdtönen“.
Ob damit zu punkten ist, sei dahingestellt. Guter Geschmack lässt sich schwerlich dingfest machen, am ehesten noch bei Wein oder Whisky nachweisen oder widerlegen. Selten allerdings ist zu hören, dass ausgerechnet das, was als mainstreamig gilt, auch begehrenswert ist. Vielmehr setzt sich nun in einer anderen Sparte fort, was von einer Schicht junger Großstädter schon vor mehr als zehn Jahren auf dem Foodsektor kultartig zelebriert wurde – die sogenannten Lohas, kurz für „Lifestyle of Health and Sustainability“, kauften nur noch in Bioqualität. Gut sollten ihre Produkte sein und besonders.
Laut sind auch die Stimmen der Spötter geworden, die behaupten, Manufactum, einst angetreten, um der Banalisierung der Produkte etwas entgegenzusetzen, sei im Hier und Jetzt zu dem geworden, was es nie sein wollte: zu einem Ort des Überflusses.
Geplant war „das Warenhaus der guten Dinge“ als Gegenentwurf zur anonymen Massenware, und es wurde bekannt für die kurzen, teils humoristischen Geschichten zu den einzelnen Objekten. Zuletzt sorgte es Anfang 2008 für Schlagzeilen, als es zu einer Übernahme durch das Versandhaus Heine kam, einer Tochterfirma der Otto-Gruppe. Ein Jahr zuvor hatte das Unternehmen einen Jahresumsatz von rund 75 Millionen Euro verzeichnet.
Ikarus: www.ikarus.de/weihnachten.html
Lust auf besser Leben: www.lustaufbesserleben.de
Bikini Haus: www.bikiniberlin.de
Manufactum: www.manufactum.de
Utensil/Köln: www.utensil-shop.de
Edition Populaire/Zürich: www.editionpopulaire.ch
Jasper Morrison Shop/London: www.jaspermorrisonshop.com
Dawanda: http://de.dawanda.com
Etsy: www.etsy.com
Nun könnte das ganze Bohei um elegantes Design, Statussymbole und einträgliches Geschäft, elitäres Gehabe hin oder her, getrost links liegen gelassen werden, wenn es nur um einen selbst ginge. Beim Beschenken hingegen als lieblos dazustehen behagt nur den wenigsten. Wie also mit Mühe und Bedacht herausfiltern?
Es gibt sie, die Läden, die auf Funktionalität und eine elementare Ästhetik setzen, ohne preislich ins Unermessliche zu steigen. Das „Utensil“ in Köln, die Zürcher „Edition Populaire“ oder der Londoner „Jasper Morrison Shop“ bieten alle drei ihre Waren auch online an. Beim Letztgenannten etwa finden sich sorgfältig zusammengestellte Produktserien, die allesamt aus dem Designstudio des 1959 in England geboren Künstlers Jasper Morrison stammen, der unter anderem auf der Documenta in Kassel ausstellte und an zahlreichen Kunstinstallationen zusammen mit Andreas Brandolini und Axel Kufus arbeitete. Sein Stil gilt als Inbegriff der „Neuen Einfachheit“. Meisterlich umgesetzt, etwa der aktuell erhältliche Vitra Family Hocker, ein riesiger Korken als Sitzelement, ab 385 Euro, ebenso wie der Magis-Papierkorb, in Cremefarbe und geschwungen wie eine getöpferte Vase, 33 Euro, oder die hübschen, vollkommen schlichten Gläser im Viererset, ab 5,50 Euro – inzwischen werden ebendiese für Alessi, der italienischen Designschmiede, produziert.
Wer sich lieber vor Ort umschaut, dem seien zum Beispiel die „Pop Up Boxes“ im Berliner Bikini Haus am Bahnhof Zoo zu empfehlen. Denn in den temporären, modularen Stores präsentieren immer wieder noch unbekannte Labels, junge DesignerInnen ihre Kreationen. Was dort entdeckt wird, lässt sich meist nicht einmal über das Web bestellen.
Ob nun im Trend oder nicht, die Idee, die Gegenstände, die wir tagtäglich in Händen halten mit Fingerspitzengefühl für Form und Farbe auszuwählen, um sich beim Hantieren an ihrer Ästhetik zu erfreuen, scheint jedenfalls nicht ganz dumm.
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