: MUSIK
MusikPhilipp Rhensiushört auf den Sound der Stadt
Es gab mal eine Zeit, in der Musik allen Ernstes in E wie Ernste und U wie Unterhaltung eingeteilt wurde. Es war das Werk konservativ verblendeter Musikwissenschaftler, für die Rock ’n’ Roll und Jazz ein Generalangriff auf die denkmalgeschützte, kulturelle Hegemonie der bräsigen Orchestermusik war. Die Unterscheidung zwischen E und U existiert heute dank eines fortschrittlicheren, hybrideren Kulturbegriffs höchstens noch in den Köpfen bourgeoiser Musikinstitute – oder in dieser Kolumne. Denn als Beschreibungskategorie eignet sie sich perfekt für das kommende Wochenende.
Am Donnerstag wird es so richtig U, wenn das am schlechtesten gelaunte Musik-Duo Englands in Huxleys Neuer Welt einkehrt. Mit ihrem Hybrid aus unterproduziertem Lofi-Punk, Grime und der in lakonischem Sprechgesang maskierten Sozialkritik sind Sleaford Mods so was wie die Anwälte einer Post-Brexit-Generation, die sich endlich darüber bewusst werden muss, dass ihre apolitische Einstellung Konsequenzen hat. Da sich die beiden aber nicht zu wichtig nehmen, bieten ihre Gigs maximalen Unterhaltungsfaktor zwischen Moshpit, Ausdruckstanz und Bierdusche (Hasenheide 107–108, 24. 11., 19.30 Uhr).
Ein vermeintlicher Hort für Seriosität ist das Splitter Festival für zeitgenössische Orchester-Musik. An vier Abenden zeigen 80 KünstlerInnen, warum es wichtig ist, in der Hauptstadt des hegemonialen U auch mal ein bisschen E zu sein. Ein Highlight wird der Freitag, wenn bei diesem Treffen der Berliner Echtzeitmusikszene im Ballhaus Ost neben Sven-Åke Johanssons Stück „Harding Greens – Symphonie für Kartonagen“ auch Margareth Kammerer mit dem All-Female-Kollektiv Les Femmes Savantes mit ihrer Performance „The Illusion Of Things Hanging Together“ die Poesie der Dichterin Anne Carson mit abstrakten elektronischen Sounds, Gesang und Musikinstrumenten zum Klingen bringen (Pappelallee 15, 25. 11., 20 Uhr & 21.30 Uhr).
Da E-Musik eng verwandt ist mit Thrombose, sei danach ein Besuch des Clubs Griessmühle empfohlen. Hier spielen neben den Bristoler Breakbeat-House-Heroen Livity Sound auch die US-amerikanische Wahlberlinerin Laurel Halo, deren idiosynkratische Version von Clubmusik Kopf und Bauch zugleich zu betören wissen (Sonnenallee 14, 25. 11., 0 Uhr).
Am Samstag lädt das vermeintliche E erneut ins Ballhaus. Dort wird das 22-köpfige Berliner Splitter Orchester ihr jüngstes Albums „Shine On You Crazy Diagram“ mit dem Hamburger Elektroniker Felix Kubin aufführen. Diese Versöhnung von Neuer Musik mit Postpunk führt die Unterscheidung zwischen seriös und leger endgültig ad absurdum (Pappelallee 15, 26. 11., 20 Uhr).
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