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Archiv-Artikel

Etwas Lebendiges wäre nett

Anwohner erforschen das leere Gelände der Lettow-Vorbeck-Kaserne. Die neue Wohnsiedlung soll viel weniger dicht bebaut werden als ihre Vorgängerprojekte

„Wir werden diese Lebendigkeit so lange es geht auf dieser Fläche halten“

Von Kaija Kutter

Die Journalisten zücken die Stifte, als eine Mitarbeiterin der Stadtentwicklungsbehörde die Denkmalschutztafel zeigt. Sieben Kasernengebäude rund um den kleinen Exerzierplatz sind dort dunkelrot markiert. Ihr Mauerwerk ist von Reliefs geschmückt, Bildnisse toter Generäle und militärische Symbole. Dieses Ensemble sei ein seltenes „Zeugnis der Baukunst des Nationalsozialismus“, weshalb die Architekten sie in die neue Planung integrieren sollen. Stille.

„Und was macht der Hubschrauber?“, fragt ein älterer Anwohner mit Schiebermütze und lenkt auf ein neues Thema. Vor einer Kaserne ist ein Landeplatz markiert: „Früher waren hier 50 Schwalbenpaare, die hat der Hubschrauberlärm vertrieben“, ergänzt ein anderer Rentner aus der Besuchergruppe. „Die sind von einer RTL-Serie“, erklärt Wandsbeks Bezirksamtsleiter Gerhard Fuchs, „die hört auf.“

Ein zweiter Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes (BGS) und somit „ein Lärmproblem“ werde von den Architekten allerdings in das neue Wohngebiet auf dem 28 Hektar großen Kasernenhof zu integrieren sein, so die Vorgabe der Behörde. Vermutlich im nördlichen Zipfel des Geländes und abgeschirmt durch zwei neue Bauten des BGS. „Wissen Sie, was das für‘ n Echo gibt?“, fragt der Schwalbenfreund. Darauf der Schiebermützen-Mann: „Ach das ist doch alles nicht so schlimm wie dieser Teppich-Klopfer von RTL.“

Die Nachbarn waren am Mittwochabend zur Besichtigung des bislang geschlossenen Geländes der Lettow-Vorbeck-Kaserne in Jenfeld geladen, eine der größten Konversionsflächen in Hamburg, die für zivile Nutzung umgewidmet werden sollen (siehe Kasten). Die Rundtour geht auch am umstrittenen und streng eingezäunten „Tansania-Park“ vorbei hin zu den endlosen Garagenreihen für die Panzer. Er habe die Panzer früher immer gehört, wenn die „‘ne Fehlzündung hatten, war das ein Krach“, erinnert ein Alter, der als Kind in der benachbarten Kleingartenkolonie lebte, als 1934 die Kaserne entstand.

Heute sind in den leeren Panzergaragen Künstler wie der Bildhauer Bertram Gante. Fuchs lotst die Besucher ins Atelier, will ihnen die Künstler „ans Herz legen“. Denn die Architekten sind nicht verpflichtet, diese Gruppe beim Flächenplanungs-Wettbewerb zu integrieren. Zwar sollen eine Kita und ein Kulturhaus entstehen, aber sonst zu 60 Prozent Wohnungen und zu je 20 Prozent Gewerbe- und Grünfläche. Vielleicht, so hofft Fuchs, würde dieses Ende des Kasernengeländes ja erst „in fünf, sechs Jahren bebaut“.

„Wir werden diese Lebendigkeit so lange es geht auf dieser Fläche halten“, nimmt Fuchs das Thema bei der anschließenden Diskussion im Jenfeld-Haus wieder auf. Vor allem in diesem Viertel südlich der Kaserne wurden in den 70ern unter dem Druck großer Wohnungsnot stadtplanerische Sünden begangen. Nach der Parzellierung in Kleingärten übrig gebliebene Felder der Bauern wurden nach dem „Patchwork-Prinzip“ mit bis zu zwölfgeschossigen Wohnblöcken bebaut. Ein 1968 geplanter Grünstreifen wurde dabei einfach „verfrühstückt“.

Die östlich gelegene Siedlung Hohenhorst aus den 60ern hingegen sei harmonischer bebaut und habe anders als Jenfeld „keine Negativ-Schlagzeilen gemacht“, findet der Wandsbeker Bauplaner Karl-Heinz Ulme. Die Architekten sollten bedenken, dass diese „Unauffälligkeit etwas Positives ist“.

Das neue Wohngebiet soll also sozial ausgleichend wirken. Im Unterschied zur fast ebenso großen Ende Rahlstedter Boehn-Kaserne, die Ende der 90er bebaut wurde, sollen hier denn auch nicht 1.700, sondern nur 500 bis 700 Wohneinheiten entstehen und davon ein Fünftel sogar als Einzelhäuser. Oberbaudirektor Jörn Walter sieht hier Bedarf, um vor allem junge Familien vom Wegzug ins Umland abzuhalten.

Manchem Anwohner ist dies nicht geheuer. „Über die Finanzen spricht hier keiner“, poltert der mit der Mütze. Allein die Kosten, um die dicken Fahrbahnen der Panzerstraßen abzutragen. „Welche Familie mit Kindern kann das bezahlen?“ Und ein anderer Herr möchte wissen, ob es schon einen „Großinvestor“ gibt, der am Ende alle Planungen über den Haufen wirft.

Noch gehört das Gelände der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten, und die werde die „Entsiegelungskosten“ vom Geländepreis abziehen, verspricht deren Sprecher Hermann-Josef Huber. Und dass es einen Großinvestor gäbe, sei „bisher nicht der Fall“.