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Im Experiment vereint

Szene Mit ihrem neuen gemeinsamen Format „Ping Pong“ begeben sich Schwankhalle und GAK auf die Suche nach den Gemeinsamkeiten ihrer Kunst und Performances

von Jens Fischer

Nie klar und deutlich hier, nie einfach selbstbestimmt dort – richtig wohl fühlen sie sich nur in jeder Art von Dazwischen: die Leitungsteams der Schwankhalle und der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK). Als diese schrägen Menschenvögel bereits dachten, sie wären bei ihren Spaziergängern im Grenzbereich dramatischer und bildender Kunst ziemlich allein in Bremen unterwegs, begegneten sie einander, kamen ins Plaudern und entdeckten ihre ähnlich interdisziplinären Interessen und identische Fragen. Die Überzeugung wuchs, für ein geistig verwandtes Publikum zu arbeiten. „Eines, das schwer einortbare Sachen mag und genreübergreifend unterwegs ist“, erklärt Florian Ackermann, „Artistic Assistant“ der Schwankhalle.

Vereinbart wurde ein Pingpong mit der GAK – abwechselnd will man sich Künstler zuspielen. Den ersten Aufschlag sicherte sich die Schwankhalle. Mit Hendrik Quast und Maika Knoblich wurden zwei Absolventen des Gießener Instituts für angewandte Theaterwissenschaft in die GAK geladen. Ping! Passend zum morgigen Totensonntag beschäftigen sie sich mit stummem, nagendem Kummer, wildem Abschiedsschmerz, lautem Wehklagen und hilfloser Trostsuche. „Trauer tragen“ ist die zwischen Theaterperformance und Kunstinstallation angesiedelte Produktion betitelt. Die Ausstellungsmacherinnen basteln noch am Pong. Besucht werden soll die Schwankhalle erstmals im Dezember 2017 von einem GAK-Artisten.

Die gemeinsame Liebe zur Grenzgängerei belegt Ackermann mit drei Beispielen. Fühlte er sich in der GAK doch bereits Anfang 2016 wie in der Schwankhalle. „Ah, soul in a coma, act naive, attack“: Die so betitelte Schau von raumgreifenden Installationen, Skulpturen, Projektionen und Objekten der Künstlerinnen Anetta Mona Chisa und Lucia Tkacova erlebte er bei Rundgängen als theatral inszenierte Ausstellung. „Das hätte auch unseren Besuchern gefallen“, so Ackermann. „Freunde der GAK hätten hingegen auch an unserer Saisoneröffnung Spaß gehabt.“ In „Liebe – Ökonomie des Handels 3“ zerhackstückte Daniel Kötter anderthalb Stunden lang Eisklumpen und hängte die Brocken an Fleischerhaken über Musikinstrumenten auf, die daraufhin Töne von sich gaben: von Schmelzwasser betropft, von Eiskrümeln befallen. „Ein normaler Theatergänger sucht da vergeblich nach Narration, Figuren, einem Plot – und ist enttäuscht, aber Museumsgänger sind geübt darin, sich ins Innere eines Bildes, auch eines szenischen Bildes zu vertiefen.“

Ebenfalls für die Kunstszene von großem Reiz gewesen sei das Gastspiel des bulgarischen Performers Ivo Dimchev. Es ging um die sogenannten „Passtücke“ des österreichischen Künstlers Franz West, die Materialisierungen von Neurosen sein sollen, wie Gipswürste aussehen – und „erst ihre volle Bedeutung bekommen, wenn der Betrachter sie auch benutzt“, wie West behauptet hatte. Leider seien die Objekte dermaßen erfolgreich auf dem Kunstmarkt gewesen, „dass sie schnell mit 60.000 Euro gehandelt wurden und nicht mehr benutzt, berührt werden durften“, so Ackermann, „also die hübsche Zweifelhaftigkeit verloren, ob es Kunst-, Spiel-, symbolische Objekte sind – oder alles zugleich“. Dimchev reprofanisierte die West-Würste dann in der Schwankhalle, indem er sie als Requisit für derbes Onanieren, wildes Herumfuchteln und putzige Stillleben nutzte – wie auf einem Video der „I-ON“ betitelten Performance zu sehen ist.

Normale Theatergänger suchen vergeblich nach Narration, Figuren und Plot

Diese Kunstform den Bremern nahezubringen, ist kulturpolitischer Auftrag der Schwankhalle. Das bedeutet für Ackermann, Künstler einzuladen, „die auf der Bühne nicht etwas dar-, sondern etwas herstellen“. Keine Frage daher, dass Quast/Knoblich ideale Gäste sind. Das Duo eignet sich Praktiken an wie Gärtnern, Stricken, Tiere ausstopfen, Nägel designen. Und überträgt das auf die Bühne. Für „Trauer tragen“ sitzen 30 Besucher an einem Tischkreis voller Werkzeug und botanischer Materialien der Floristen. Schaler Kaffee wird ausgeschenkt. „So könnte sich in der GAK eine Gemeindesaalatmosphäre herstellen“, meint Ackermann. In einem Mitschnitt der Performance kommt Quast dann auch in stoischer Jesus-Gemütlichkeit daher und übt sich in der klassischen Kulturtechnik der Bildbeschreibung: Er erzählt leidenschaftslos präzise jeden Arbeitsschritt, den er da ausführt beim Binden eines Grabgestecks. Und erklärt, welche der extra für solche Zwecke gezüchteten Blumen zu nehmen, wie sie zu beschneiden, wie feucht zu halten sind.

Knoblich hält derweil eine Grabrede auf ihren Kollegen. Unter Einsatz der rhetorischen Tricks und Floskeln aus online einsehbaren Baukastensystemen für solche Gebrauchstexte. Quast hat seine Expertenkenntnisse aus Youtube-Tutorials.

Und der inhaltliche Mehrwert? „Zu erleben ist, wie ein Gegenstand eine symbolische Funktion einnimmt“, erklärt Ackermann. Die Performance sei einerseits ernsthafter Nachvollzug, wie ein einschneidend individueller Moment innerer Trauer mit dem Grabgesteck eine äußere, traditionelle Form bekommen soll. Andererseits auch zart ironische, also widerständige Inszenierung der formatierten Gesten aus dem Angebot der Trauerindustrie. Ein Balanceakt diesseits der Kunst und jenseits des Handwerks. Also beispielhaft dazwischen.

Sonntag, 15 und 19 Uhr, GAK

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