Immer wieder ein Schritt zu spät

Christian Wörns will einfach nicht verstehen, warum ihn Bundestrainer Jürgen Klinsmann nicht in das Aufgebot für die Länderspiele gegen die Türkei und China berufen hat. Seine sportlichen Argumente sind nicht gerade die besten

BERLIN taz ■ Sie haben eindrucksvoll gewonnen. Der Klinsmann’sche Offensivfußball scheint zu funktionieren. Mit 6:0 gewann die deutsche Fußballnationalmannschaft ein geheimes Testspiel am Abend bevor sich das Team auf den Weg nach Istanbul gemacht hat, wo am Samstag die Begegnung gegen die Türkei ansteht. Die A-Jugend des Hamburger Sportverein hatte zu keinem Zeitpunkt der Partie den Hauch einer Chance, hieß es. Denn so genau kann das keiner sagen. Denn der Test fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bundestrainer Jürgen Klinsmann, so viel sickerte durch, setzte alle 19 Spieler ein, die die deutschen Farben auch in der Türkei vertreten werden. Robert Huth durfte also wieder einmal mitspielen, die derzeit gesetzten Patrick Sinkiewicz und Per Mertesacker sowieso. Von all dem nichts mitbekommen hat Christian Wörns.

Dass der gerne dabei gewesen wäre, das hat der Verteidiger von Borussia Dortmund zu Beginn dieser Woche ungewohnt lautstark verkündet. Via Bild-Zeitung machte er seinem Ärger über die Nichtberücksichtigung Luft. Am Mittwoch legte er noch einmal nach. Er fühle sich „veräppelt“ vom Bundestrainer. Starke Worte für einen, der zwar schon 66 Mal in der Nationalmannschaft verteidigt hat, aber dennoch nie den ganz großen Durchbruch geschafft hat. Seine Karriere ist gepflastert mit unglücklichen Aktionen. Die sind ebenso in Erinnerung geblieben wie seine oft hilflosen, in süßlichem kurpfälzischem Singsang vorgebrachten Rechtfertigungsversuche.

Im Jahre 1998, jenem Jahr, in dem sich die Nationalmannschaft zum zweiten Mal in Folge im Viertelfinale einer WM aus dem Turnier verabschiedete, galt Wörns als großer Hoffnungsträger, als Fortentwicklung des knallharten Verteidigertyps Mannheimer Schule, als einer dem zugetraut worden ist, in die Fußstapfen eines Karl-Heinz Förster treten zu können.

Dass das mit der Roten Karte geahndete Foul, mit dem Christian Wörns in der 40. Minute des WM-Viertelfinales den Kroaten Davor Suker zu Fall brachte, kein Ausrutscher war, belegen etliche Spiele, die Wörns in der Folge für Deutschland, aber auch für Borussia Dortmund abgeliefert hat. Gerade im Duell mit herausragenden Stürmerpersönlichkeiten, kam der biedere Abwehrrecke immer wieder zu spät. Immer wieder verursachte er Elfmeter oder Freistöße in der Nähe der Strafraummarkierung. „Das kennen wir von Wörns“, lauteten die genervten Kommentare eines Günther Netzer in solchen Fällen.

Als gerade Robert Huth mit seinen nicht selten hölzern wirkenden Aktionen Stürmer um Stürmer zu Fall brachte, wurde der Ruf nach einem Stabilisator in der Abwehr laut. Der Name Christian Wörns fiel. Ausgerechnet der manische Trikotzupfer, der immer wieder den berühmten „Schritt zu spät“ dran ist, sollte das deutsche Verteidigerproblem lösen. Und in der Tat kehrte der Routinier zurück in die Nationalmannschaft. Gegen die Niederlande legte er wieder einen äußerst unglücklichen Auftritt hin und beklagte sich hinterher auch noch über die Fehler seiner Nebenleute.

Dass ihm die Jungspunde nun vorgezogen werden, kann er gar nicht verstehen. Es mag ja sein, dass sie nicht bessser spielen als Wörns, schlechter spielen sie aber auch nicht unbedingt. Und im Gegensatz zum 33-jährigen Wörns stehen sie noch am Anfang ihrer Entwicklung. Das will Wörns nicht einsehen. Er spielt den Beleidigten, weil er davon ausgegangen ist, dass er am Zug ist, wenn Jürgen Klinsmann den Spaß am Experimentieren mit Nachwuchskickern verloren hat. Jetzt sitzt er in der Schmollecke und meckert lauthals los. Das scheint Jürgen Klinsmann gar nicht zu gefallen. „Wenn ein Spieler nicht nominiert wird, haben wir unsere Gründe dafür“, meinte er. Der angegriffene Bundestrainer geht in die Offensive.

ANDREAS RÜTTENAUER