: Proteste gegen Korruption und Vetternwirtschaft
UkraineTausende gehen in Kiew auf die Straße.Geheimdienst sieht Russland als Drahtzieher
Demonstrant in Kiew
„Unsere Politiker sind ein Heer korrupter Banditen“ schreit ein älterer Demonstrant einem Journalisten in dessen Mikrofon. „Wir fordern die Rücknahme der Gebührenerhöhungen. Ich kann meine Heizkosten kaum noch bezahlen“. Rund 6.000 Menschen haben sich an Dienstag vor dem Parlament in Kiew eingefunden. „Banditen, haut ab!“, skandieren sie in Sprechchören. Die Wut über die Korruption in der Ukraine wächst. In der vergangenen Woche hatten Journalisten eine weitere Villa von Präsident Petro Poroschenko an der spanischen Küste entdeckt, die dieser nicht in seiner Vermögenserklärung angegeben hatte.
Einige hundert Meter weiter fordern Demonstranten mit Fahnen der Partei für das Leben und der Kleinunternehmerpartei 5.10. vor der Nationalbank den Rücktritt von Notenbankchefin Valerija Gontarewa. Diese sei schuld an der Schließung von über 80 Banken. Nun müssten Hunderttausende von Sparern um ihre Einlagen fürchten.
Bereits im Vorfeld hatte die Demonstration am Dienstag für Zündstoff gesorgt. Der „Block Petro Poroschenko“ hatte seine Anhänger vor einer Teilnahme an der Demonstration gewarnt.
Der Inlandsgeheimdienst wollte erfahren haben, dass die Demonstrationen von Russland gesteuert seien. Moskau wolle mit den Demonstrationen die Ukraine destabilisieren, so der Inlandsgeheimdienst. Innenminister Awakow forderte von der Polizei die Anwendung aller ihr zur Verfügung stehenden Waffen gegen Personen, die versuchten, die Lage zu destabilisieren.
Am Montag hatte die Polizeichefin der Ukraine, Khatija Dekanoidse, ihren Rücktritt erklärt. In ihrer Erklärung hatte sie auch den zunehmenden Druck der Politik auf die Polizei kritisiert. Ihr Nachfolger ist ihr bisheriger Vize Vadim Trojan.
Trojan war noch 2014 Kommandeur des rechtsradikalen Freiwilligenbataillons „Asow“ und gilt als einer der Gründer der rechtsradikalen Patrioten der Ukraine.
Die Initiatoren der Proteste wollen diese fortsetzen – zumindest bis zum 21. November, dem dritten Jahrestag des Maidan. Dabei ist jedoch nicht nur soziale Gerechtigkeit ein Thema. Immer häufiger ist auch von vorgezogenen Parlamentswahlen die Rede.
Und so geht es bei den Protesten auch um eine gute Ausgangsposition bei diesen Wahlen. Und die Vorherrschaft in einer Bewegung, deren Spektrum von rechtsradikalen Nationalisten, der Partei Vaterland der früheren Regierungschefin Julia Timoschenko, über Kleinunternehmer und Gewerkschaften bis zum prorussischen Oppositionsblock reicht.
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