Überwältigung ist groovy

KONZERT Der Londoner Elektronikwizard Sampha gibt im Berliner Berghain eine Probe seines Könnens

Obwohl er in der letzten Nacht kaum Schlaf bekommen hat, tritt der schüchterne britische Elektronik-Produzent und Sänger Sampha Sisay mit seiner vierköpfigen Band in der ausverkauften Berliner Berghain Kantine am Mittwochabend bestens gelaunt und selbstbewusst auf. Die Zuschauer jubeln frenetisch, als er zu ihnen spricht und sich aufrichtig für ihr Kommen bedankt.

Sie haben den Werdegang des 27-Jährigen seit der EP „Dual“ (2013) aufmerksam verfolgt, binnen zweier Stunden war das Konzert vorab ausverkauft. Anwesend sind vor allem Hipster und sie lassen den Londoner laut wissen, dass er ihre volle Unterstützung hat. Sampha wirkt von der Resonanz fast überwältigt und lächelt verlegen. Seine Bescheidenheit ist ihm auch noch anzumerken, als er singt und Synthesizer und Klavier spielt. Anders als die flashigen HipHop-Kollegen in seinem Umfeld wirkt er nicht prätentiös, sondern bleibt ruhig und fokussiert auf den Sound.

Dass er alle Songs im Alleingang komponiert hat, alle Instrumente einprogrammiert hat, merkt man allein an seiner Mimik, die auf jeden Trommel-Schlag und Bass-Einsatz eingeht. Genau das schätzt die Menge und groovt schon beim zweiten Song, dem souligen neuen „Timmy’s Prayer“, mit ihm. Als Sampha bei Song Nummer drei ausgiebig tanzt, wird deutlich, wie viel Spaß er trotz aller Konzentration hat. Seine Virtuosität am Klavier und die besonders fragilen Falsett-Stimme werden in den folgenden Songs „Too Much“ und „Happens“ deutlich. Dafür verstummt die Band. Der Saal lauscht gebannt. Niemand starrt ins Handy, niemand redet.

Für die Show nimmt Sampha aber auch Songs auseinander und puzzelt sie neu zusammen. Dass er den Beat seines Songs „Channels“ erst live einspielt, das Lied dann langsam aufbaut und im richtigen Moment mit dem tiefen Bass-Motiv schmückt, wird zum Highlight des Konzerts. Auch den vorab veröffentlichten Smasher „Blood on me“ von seinem im Februar erscheinenden Debütalbum „Process“ spielt er in einer längeren Live-Fassung. Von der Energie des Publikums getrieben, kommt Sampha hier das erste Mal nur am Mikrofon nach vorne, tanzt und erlebt schreiende Fans, die ihm die Hände entgegenstrecken.

Für die Zugabe kommt er allein auf die Bühne und spielt zwei Songs, darunter „No one knows me like the Piano“. Wie wichtig ihm dieses Instrument ist, lässt sich da erahnen. Schon toll, dass ein Musiker, der bisher durch seine Arbeit mit Stars wie Kanye West und Drake anderen zu Erfolgen verholfen hat, nun selbst im Rampenlicht steht! Das wird durch seine Live-Performance in Berlin zur Gewissheit. Lorina Speder