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Die sich ihren Teil vom Kuchen holt

Pop Unbescheiden, selbstironisch: Amanda Palmer erfreut ihre Fans im Berliner Huxleys

Schon der Titel „An Evening with Amanda Palmer“ verspricht ein intimes Beisammensein: Das ausverkaufte Berliner Huxleys ist entsprechend spärlich ausgeleuchtet, auf der Bühne nur ein Flügel, die Stimmung andächtig.

„Coin-Operated Boy“, den Hit ihrer ehemaligen Punk-Cabaret-Band The Dresden Dolls, spielte Palmer gleich weg, dann darf das Publikum Wünsche äußern. Sie würde gerne bis neun Uhr morgens spielen, sagt sie, doch dann wäre sie wohl allein hier. Der Wunschliste fügt sie den einen oder anderen Titel hinzu: „Map of Tasmania“ etwa, weil Palmer gerne die weibliche Schambehaarung feiert. Oder Heintjes „Ich bau dir ein Schloss“ in einer Ukulele-Version, schließlich sei die Welt schlecht genug. Zum Running Gag wird der Umstand, dass viele ihrer Songs auf den gleichen Akkorden basieren wie das Idyll des Kinderstars.

Ihre Anekdoten gibt sie in charmantem Denglish zum Besten – und mit mehr Selbstironie, als ihr gerne zugestanden wird. Vergangene Woche etwa habe sie ein Konzert in Liverpool gegeben und sich mit der Behauptung aus dem Fenster gelehnt, dass es schön wäre, an diesem Ort – das Konzert fand in einer Bibliothek statt – einen ­Beatles-Song über Bücher zu spielen. Doch leider gebe es keine Beatles-­Song über Bücher. Das Publikum belehrte sie eines Besseren, seitdem steht „Paperback Writer“ auf dem Programm: „I have been milking it ever since.“ Heute allerdings illustriert sie die Zeile „His son is working for the Daily Mail“ mit einem in den Raum gestreckten Stinkefinger. Und damit sei der Song verheizt, erklärt sie im Anschluss: Die Wirkung wäre schnell dahin gewesen, hätte Jimi Hendrix jeden Abend seine Gitarre in Brand gesetzt.

Bescheidenheit hinsichtlich der Wirkungsmacht ihrer Gesten war nie ihr Ding. Über wenige Menschen im Popbetrieb wird so leidenschaftlich gestritten, wie über Amanda Fucking Palmer, wie sich die Frau gerne nennt, die mit ihrer Social-Media-Präsenz die Grenzen zwischen Bühnen- und Privatperson tatsächlich aufhebt.

Und auch wenn ihre Tendenz, jedes Thema so zu biegen, dass sie darin ihre Befindlichkeit spiegeln kann, mitunter nervt. (Eher daneben war unlängst ihr Text im britischen Guardian über Nick Caves albumbegleitenden Film „One More Time With Feeling“. Im Artikel ging es nur am Rande um die tragischen Umstände der Albumproduktion – Caves Sohn war unter LSD-Einfluss von einer Klippe gestürzt –, dafür aber um Palmers Angst, unkreativ und künstlerisch irrelevant zu werden, weil sie nun selbst ein Kind hat.) Amanda Palmer wird aber auch gerne aus den falschen Gründen kritisiert und mit einer Vehemenz gehasst, wie sie nur eine Frau provozieren kann, die sich ihren Teil vom Kuchen holt, ohne zu fragen.

Das hinterlässt Spuren: Zum Ende spielt sie eine Hommage an John Grant, in dessen Song „Glaciers“ sie sich wiedererkennt: „This pain / It is a glacier moving through you / And carving out deep valleys / And creating spectacular landscapes / And nourishing the ground.“

Hier im Raum allerdings wird sie verehrt, ja geliebt. Palmer, die sich von der Musikindustrie verabschiedet hat und ihr Schaffen ausschließlich mit Crowdfunding finanziert, weiß, was sie ihren Fans schuldig ist. Sie verspricht, jedem, der ihre CD „Piano is Evil“ (eine Neuinterpretation von „Theatre is Evil“ von 2012 als akustisches Klavieralbum) kauft, selbiges zu signieren. Als das Konzert nach dreieinhalb Stunden vorbei ist, sind noch alle da. Müde Menschen haben sich einfach auf den Boden gesetzt. Vor dem Merch-Stand bildet sich eine riesige Traube. Die letzten werden wohl wirklich erst morgen früh zu Hause sein. Stephanie Grimm

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