: Regionalisierung ist eineHerzensangelegenheit
BETRIEBSWIRTsCHAFT Anders als bei den Lokalteilen der taz in Berlin und Hamburg baute die Gründung der taz.bremen nicht auf die Kraft sozialer Bewegung, sondern auf ein publizistisches Kalkül
Jahrgang 1954, ist Mitbegründer der taz und seitdem ihr Geschäftsführer. Unter ihm entwickelte sich die taz von einem selbstverwalteten Betrieb zu einer handlungsstarken Genossenschaft.
Von Karl-Heinz Ruch
Im Jahr 1986 gründete die taz nach Berlin (1980) und Hamburg (1981) auch im dritten städtischen Bundesland Bremen eine täglich erscheinende Regionalausgabe. Anders als in Berlin und Hamburg entsprang der Gründungsimpuls nicht aus der Kraft der sozialen Bewegungen, mit der in den Metropolen leer stehende Häuser besetzt oder gegen das System auf die Straße gegangen wurde. Die Gründer der taz Bremen hatten ein publizistisches Kalkül.
Investment in einen Lokalteil mit klarer Kalkulation
Eine Zeit lang erschienen damals in Bremen jeden Tag vier Seiten Regionales mit den Nachrichten aus der falschen Hansestadt. Für einen eigenen Lokalteil in Bremen konnte man also einen einfachen Geschäftsplan entwickeln, bei dem durch kostengünstigen Seitenwechsel ohne zusätzliche Druckkosten allein Redaktionskosten für einen eigenen Regionalteil zu Buche schlugen.
Mit der Berliner Zentrale wurde ein Abrechnungsmodus vereinbart, bei dem diese Kosten durch die Erträge lokaler Anzeigen und in der Region über den Trend vergleichbarer Städte (Hannover, Köln, Stuttgart) gewonnener Abonnements zu finanzieren seien. Erstmals in der noch kurzen Geschichte der taz wurde einem Investment eine Kalkulation zu Grunde gelegt.
Vorläufer für das Genossenschaftsmodells der taz
Und das erste Mal noch weit vor der Gründung der taz-Genossenschaft gingen die Bremer daran, systematisch Unterstützer und Förderer für ihre Idee zu gewinnen. Für die Entwicklung des Projekts taz insgesamt war die Bremer Initiative eine große Belebung und in die Zukunft weisend.
Das ist nun lange her und hört sich an, wie eine Geschichte aus einer anderen Zeit. Zeitungen gründeten damals Regionalseiten, heute konsolidieren sie. Die taz durchlebte mit ihrer „Strategie“ der Regionalisierung unterschiedliche Phasen. Bremen wurde zunächst mit sechs taz-AbonnentInnen pro tausend Einwohner nach der Universitätsstadt Tübingen die Stadt mit der dichtesten taz-Verbreitung. Doch wirtschaftlich wurde die Rechnung immer prekärer.
Eine Herzensangelegenheit
Auch die taz musste konsolidieren, fusionierte ihre Regionalausgaben in Bremen und Hamburg zur taz-Nord mit nur noch einzelnen lokalen Seiten und fand dafür wenig Verständnis bei ihren LeserInnen in Bremen.
Gerade bei einer von LeserInnen genossenschaftlich getragenen Zeitung wie der taz ist das Thema Regionalisierung eben nicht nur eine Frage des betriebswirtschaftlichen Kalküls sondern Herzensangelegenheit.
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