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„Ich habe Lust am Schreiben mit Haltung“

Gesichter der taz III Klaus Schloesser, taz-Bremen-Gründer und Redakteur von 1986 bis 1990, sprach mit Gareth Joswig, frisch eingestellter Volontär, über die Vergangenheit und die Zukunft der Bremer taz

Klaus Schloesser: Was zieht einen heute zur Bremer taz?

Gareth Joswig: Ich komme aus Norddeutschland. Früher hat mich nur Werder mit Bremen verbunden. Ich habe lange studiert – Geschichte und Soziologie – und wusste wie viele Menschen meiner Generation gar nicht, was ich machen wollte. Und dann habe ein journalistisches Praktikum beim Fußballmagazin 11 Freundegemacht. Die fanden gut, was ich geschrieben habe. Mir hat Schreiben Spaß gemacht und ich habe mich in Bremen als Volontär beworben, weil meine Freundin hier lebt.

KS: Und dann direkt zur taz?

GJO: Ich hatte bei der taz ein Praktikum gemacht. Es hat mir sehr gefallen, wie um Themen gerungen wurde, wie jeder seine Meinung geäußert hat. Und es war eine nette Arbeitsatmosphäre. Meine Studienschwerpunkte hatten zu tun mit den Themen der sozialen Ungleichheit, meine Bachelor-Arbeit habe ich zum NSU-Prozess geschrieben. Ich fühle mich in der taz zu Hause, weil sie ein linkes Profil hat. Meine Eltern haben mich mit Ton-Steine-Scherben sozialisiert.

Und du?

KS: Ich bin zum Studium nach Bremen gekommen und dann hier hängen geblieben. So ist Bremen zu meiner Stadt geworden. Wir hatten an der linken Bremer Uni studiert und uns natürlich politisch engagiert. Wir haben mit Leidenschaft und Inbrunst um den richtigen Weg zum Sozialismus gestritten. Das war aus heutiger Sicht eine Käseglocke, unter der absurde Sektenphantasien blühten. Manche der weltweit identifizierten Vorbilder entpuppten sich später als üble Dikatoren und Schlächter.

GJO: Und danach kam eine Existenzkrise?

Gareth Joswig

31, ist seit 2016 Volontär der taz.bremen (Kürzel: GJO) und hat Geschichtswissenschaft und Soziologie studiert. Er schreibt seit Jahren als freier Autor unter anderem für 11 Freunde und hat neben dem Volontariat bei der taz schon früher viele prekäre Jobs durchgemacht.

KS: Nein, eher Neuorientierung. Die Welt war ja nach wie vor ungerecht. Ich habe etwas gesucht, was mit den politischen Ansprüchen zusammenpasst, was aber auch Spaß macht, da war mir das Modell der taz sehr sympathisch. Auch bei den Grünen musste man sich ja in Parteihierarchien einfügen, da fand ich die journalistische Arbeit, bei der Zweifel gern gesehen sind, wie gemacht für mich. Ich wäre sonst vielleicht aus Versehen Pauker geworden. Ich war aber Teil der Lehrerschwemme, das wurde schon deswegen nichts.

GJO: Mir hätte es auch passieren können, dass ich Lehrer werde. Vielleicht hätte ich auch versucht, an der Universität zu bleiben. Als Kind wollte ich schon Dino-Forscher werden.

KS: Was ich toll fand bei der taz, war, dass ich politisches Engagement mit dem Schreiben verbinden konnte. Wir waren ja keine ausgebildeten Journalisten, sondern Studenten, die Lust hatten am Schreiben und Denken. Das Handwerk mussten wir uns selbst aneignen, „learning by doing“.

GS: Auch heute gibt es da große Freiheiten, aber auch ein klares Feedback, wie man einen Artikel nicht schreiben darf. Aber wenn man gute Argumente hat, kann man sich durchsetzen. Ich habe Lust an einem Schreiben mit Haltung.

KS: Ich habe noch einmal die ganz frühen taz-Artikel von mir angeguckt, meine Mutter hatte die für mich ausgeschnitten. Drei Aktenordner. Zum Teil habe ich mich schon erschrocken, nicht über alles, aber manchmal scheint mir da die sprachliche Eitelkeit durchgegangen zu sein, ohne Rücksicht auf Leser … Bis heute ist ja die Frage, ob die Leser an der taz den guten journalistischen Überblick schätzen oder mehr die Fähigkeit, den Blick zu weiten und den Spaß am Lesen zu erhöhen. Was ist die taz – kritisches Nachrichtenmagazin oder Autoren-Zeitung? Bei der Bremer taz finde ich auch heute noch, dass sich Autoren manchmal selbstgefällig wie in einem persönlichen Blog ausbreiten und wichtige Nachrichten daneben keinen Raum mehr haben.

GS: Was ich gut finde, dass niemand ein Thema okkupiert. Man kann alles machen, es gibt Streit, natürlich. Wenn es Argumente gibt, ist das ja gut. Aus meiner Zeit bei 11 Freunde habe ich noch Spaß an Sport-Themen, ansonsten finde ich es gut, dass ich thematisch sehr viel herumkomme. Ich schüttele viele Hände, lerne viele Leute kennen, arbeite mich in verschiedene Themen ein. Schön ist natürlich, wenn man ein Thema aufschreibt und sich die Welt dadurch ein klein wenig verändert. Die Zusammensetzung der Redaktion verändert sich gerade, auch das ist spannend.

Klaus Schloesser

GJO: Wie war es zu deiner Zeit?

KS: Es gab eine informelle Hierarchie, aber die war nicht in Stein gemeißelt. Man hat sich auch gegenseitig toleriert, das war eine Stärke. Wenn ich heute die Bremer taz lese, habe ich den Eindruck, dass wir früher mehr detektivische Lust hatten, etwas herauszukriegen und zu enthüllen, was eigentlich unter der Decke bleiben sollte. Das war für uns eine Kernaufgabe der taz und der Presse überhaupt.

GS: Das ist die Funktion von Journalismus, klar.

KS: Solange man denken konnte, gab es damals in Bremen absolute Mehrheiten der SPD, uns ging es um die kritische Darstellung der Architektur der Macht in der Stadt. In der Gründungsphase hat die taz zwar ihr Ziel verfehlt, viele Leserinnen und Leser zu gewinnen. Wir hatten 1986 die großkotzige Zielzahl von 10.000 Abonnenten in Bremen ausgegeben und der taz insgesamt versprochen, ihr mit dem Bremer Lokalteil nicht auf der Tasche zu liegen. Das haben wir nicht annähernd erreicht. Aber die politische Bedeutung der taz in Bremen war damals überproportional groß. Das hat dann nachgelassen, auch in der Zeit der großen Koalition.

GJO: Du bist da Pressesprecher dieser großen Koalition geworden – wie konntest du so einfach die Seiten wechseln?

KS: Eine schwierige Frage. Ich hatte eine tolle Zeit bei der taz, nach der taz habe ich zehn Jahre bei buten&binnengearbeitet, auch eine tolle Phase. Ich hatte dann das Gefühl: Ich habe da alles gemacht, was man machen kann. Die zehnte Bremer Haushaltsberatung. Der siebzehnte Stau im Gustav-Deetjen-Tunnel. Da kam das Angebot, etwas ganz anderes zu machen. Es traf auf ein Gefühl. Ich habe viele Jahre dazu beigetragen, die Stadt zu polarisieren. Als Journalist wollte ich aufklären, politisieren, Leute ermutigen sich einzumischen. Das hat aber nicht zu Aufbruch geführt, sondern eher zu Resignation, Politikverdrossenheit, Stillstand. Da kam das Angebot von Henning Scherf, Zuversicht zu verbreiten und einen Aufbruch zu versuchen. Scherf wollte eigentlich rot-grün regieren, wurde aber von seiner Partei dazu verdonnert, eine große Koalition zu führen. Diesen Seitenwechsel und dann auch noch in einer großen Koalition – das tragen mir viele bis heute nach. Ich fand das damals für mich richtig.

GJO: Die Bremer taz hat die Große Koalition bekämpft, ist mir erzählt worden.

KS: Klar. Unsere Leidenschaft war es ja gewesen, in den Machtapparaten Widersprüche aufzudecken in der Hoffnung, dass sich dadurch etwas ändert. Diese Leidenschaft hat nachgelassen. Vielleicht weil der Eindruck herrscht, dass das auch nichts ändert. Absolute Mehrheit der SPD, Ampel-Koalition, große Koalition, Rot-Grün – die Bremer taz hat alles erlebt und konzentriert sich inzwischen mehr auf soziale Themen.

GS: Im Statut der taz steht, dass die Zeitung die „Stimme der Stimmlosen“ sein soll. Stachel im Fleisch der Mächtigen – auch. Das bedingt sich gegenseitig.

Klaus Schloesser

62, war von 1986 bis 1990 Redakteur bei der taz in Bremen (Kürzel: KS) und dann von 1990 bis 1999 bei buten&binnen. Schloesser war von 1999 bis 2007 Sprecher des Bremer Senats.

KS: Was hat die Bremer taz für eine Zukunft?

GJ: In zehn Jahren gibt es die gedruckte Zeitung noch. Aber die Zukunft liegt im Internet. Journalisten haben eine wichtige Funktion, für die es einen Bedarf gibt. Ein solidarisches Genossenschaftsmodell, wie es die taz hat, ist eine gute Basis für die Zukunft.

KS: Solange es mich gibt, haben Papierzeitungen auf jeden Fall einen Abonnenten. Ich brauche das Papier und lese gerne ausführlich Zeitung jeden Morgen.

Protokoll: Klaus Wolschner

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