Auf die Idee wäre selbst Luther nicht gekommen: Das Ende ist nahe
: Ceta wisch & weg

Foto: privat

Kolumne Kapitalozän

Ingo Arzt

Ich fordere das Ende. Ist mir egal, welches Ende. Hauptsache, es passiert mal. Das Ende Deutschlands, der EU, des Westens, des Kapitalismus, der Demokratie, des Abendlandes, der Wurst oder des Höhenflugs der TSG 1899 Hoffenheim. Hauptsache, das ewige Ausrufen des Endes hat ein Ende. Heutzutage dient selbst ein Freihandelsabkommen als apokalyptische Projektionsfläche und auf die Idee wären selbst Martin Luther, der Apostel Johannes und Nostradamus nicht gekommen.

Ceta. Klingt nach Küchenrolle. Ceta wisch & weg. Der gute Jakob Augstein findet, die Vorgänge um Ceta ließen auf das baldige Ende der Demokratie schließen. Hat Konjunktur. Brexit, Ceta, Rechtspopulisten, Ende der Demokratie. Ständiges Ausrufen des Schlimmstmöglichen.

Auf tagesschau.de ist Katrin Bensch bescheidener. Sie ruft nur das Ende der Glaubwürdigkeit der EU aus, falls das mit Ceta nicht klappt. Was ganz auf Gabriel-Juncker-Schulz-Linie ist, und das Argument finde ich besonders dämlich. Reden wir von der EU, die Rohstoffe importiert, mit denen Bürgerkriege finanziert werden? Die keine Linie findet, wenn Assad Krankenhäuser und Schulen bombardiert? Die EU, die mit jedem Despoten an ihrer Grenze zusammenarbeitet, solange er Flüchtlinge fernhält? Und die EU verliert wegen Ceta die Glaubwürdigkeit? Das klingt nach Julius Cäsar, der nach 22 Messerstichen am Boden liegt und röchelt: Noch ein Stich, mein Sohn Brutus, und du verlierst deine Glaubwürdigkeit als Sohn.

Auch Freihandelsgegner haben ihre Enden. Bei denen ist Ceta das Ende von Schutz (Verbraucher-, Klima-, Umwelt-). Erst mal ein dickes Dankeschön. Viele Journalisten, mich eingeschlossen, wären am Arsch, müssten wir dieses Freihandelsdickicht selbst durchleuchten. Wir bedienen uns kräftige bei den Analysen von Powershift oder CEO, die in jahrelanger Kleinarbeit ausarbeiten, wo die Probleme liegen.

Trotzdem frage ich mich gelegentlich: Wie viel Polemik darf sein, um die eigenen Ziele zu verfolgen? Wann ist Freihandelskritik linker Stammtisch? Klar, mit Slogans bekommt man Protest auf die Straße und das ist der Job von NGOs. Aber dann lese ich bei Campact über Ceta: „Es ermöglicht Konzernen wie Monsanto und Exxon, Staaten wegen des Verbots von Gentechnik oder Fracking zu verklagen.“

Natürlich können die das, theoretisch. Aber lesen Sie mal Kapitel 8 von Ceta durch. Da, wo es darum geht, dass Investoren gegen Staaten klagen dürfen. Da sind so viele Sicherungen eingebaut, man braucht sehr, sehr viel Fantasie, um zu glauben, dass Exxon wegen Ceta bald fracken darf. Und das suggeriert Campact.

Zufällig mal was Vernünftiges hat Günther Oettinger gesagt: Wenn schon Wallonien bei Ceta mitsprechen darf, warum dann nicht auch der Kirchengemeinderat von Biberach? Der vermeldet gerade: „Die Versöhnungskirche Ummendorf feiert Abschnitt eins der Dachsanierung – und zwar ökumenisch.“ Wozu ich ganz, ganz herzlich gratuliere.

Außerdem möchte ich anregen, Pfarrerin Andrea Luiking zur EU-Haushaltskommissarin zu ernennen. Dann hätte Oettinger ein Ende.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Donnerstag

Martin Reichert

Herbstzeitlos

Freitag

Judyta Smykowski

Rollt bei mir

Montag

Aboud Saeed

Warum so ernst?

Dienstag

Doris Akrap

So nicht

Mittwoch

Adrian Schulz

Jung und dumm