Der Glanz von Marlene und Marika Rökk

Vor fünf Jahren wurde mit dem Berliner Filmmuseum ein Ort geschaffen, der den Austausch zwischen der Geschichte und den Gegenwartsdiskursen des Films produktiv machen sollte. Hat sich das Versprechen zum Minijubiläum erfüllt?

Ein Filmmuseum findet sich immer in einem Dilemma wieder: Es beschäftigt sich mit einem Gut, das sich musealer Bearbeitung entzieht – den Resten dessen, was die industrielle Verwertungsmaschine übrig lässt. Ein Filmmuseum erzählt Filmgeschichte mit Fotos und Texten, Objekten und Clips, anhand von Nachlässen und Fundstücken.

Schon seit 1963 arbeitete die Deutsche Kinemathek mit dem Ziel, ein Filmmuseum in Berlin zu gründen. Als vor acht Jahren endlich die Planung für ein solches Museum in die Gänge kam, entschied man sich für eine Dauerschau mit den Sammlungsschwerpunkten „Berlin“ und „Filmexil“. Dazu kam noch zu viel Marlene Dietrich – deren monströser Nachlass mehrere Museen zum Thema Selbstidolisierung füllen könnte – und eine Abteilung über Special Effects.

Zum fünfjährigen Geburtstag des Hauses am Potsdamer Platz war letztes Wochenende Tag der offenen Tür. Eine eher kleine Form, den Abschluss der ersten Etablierungsphase zu feiern – angesichts der jahrzehntelangen Bemühungen um ein eigenes Museum, der enthusiastischen Resonanz auf die Eröffnung im September 2000 und der kürzlichen Übernahme durch den Bund ein verhaltener Auftritt. Das Minijubiläum fällt in eine Zwischenphase, in der das Museum vor notwendigen Änderungen steht. Bis Ende des Jahres soll ein Nachfolger für den 2006 ausscheidenden Direktor Hans Helmut Prinzler bestimmt sein. Zeit für ein kritisches Resümee.

Am Anfang eines Filmmuseums steht immer die Kinoleidenschaft von Insidern, am Ende entsteht ein cineastischer, auch touristischer Zielpunkt. Die Gratwanderung zwischen musealem Erlebnisangebot, fundierter Geschichtsarbeit und zündenden Diskursinitiativen zum Verständnis unserer Mediengesellschaft macht das Zukunftspotenzial eines Filmmuseums aus. Auch wenn das Berliner Filmmuseum mit 120.000 Besuchern den Einstand unter den touristischen Anziehungspunkten Berlins geschafft hat – seine Möglichkeiten hat es längst nicht ausgeschöpft.

Dazu konzentriert man sich zunehmend und zu stark, auch in den Wechselausstellungen, auf Filmidole. Marika Rökk bekam in den letzten Wochen großen Publikumszulauf, Hildegard Knef wird ab November folgen. Die Dauerschau wiederum hält die Zahl technischer und filmhistorischer Dokumente klein und lehnt sich eng an die kalte Dominanz der Ausstellungsarchitektur von Hans Dieter Schaal an: Die Inszenierung scheint wichtiger als die präsentierten Materialien. Entsprechend mangelt es an Widerhaken und Eigensinn gegenüber dem Sony Center, und nur selten geht man ein zweites Mal in die Schau.

Wenn nächstes Jahr die Sammlung Ray Harryhausen mit ihren fantastischen kleinen Trickfiguren in die USA zurückgeht, soll in der Dauerausstellung der Bereich zum Film seit 1960 ausgebaut werden. Damit ließe sich ein Hauptkritikpunkt seit dem Start beheben. Aber leider werden wohl wieder nur die üblichen Verdächtigen – Wenders, Kluge, Herzog und Tykwer – zelebriert werden. Eine Frage muss das Filmmuseum sich weiterhin gefallen lassen: Wo ist der Underground, wo sind die grandios Gescheiterten, die Außenseiter?

Aber auch in puncto Synergieeffekte gäbe es noch einiges zu verbessern. Seit 2000 sind die beiden Arsenal-Kinos, die Deutsche Kinemathek mit Archiven und eben Filmmuseum sowie die Deutsche Film- und Fernsehakademie (DFFB) in einem Filmhaus vereinigt. Doch von der räumlichen Nähe so unterschiedlicher Ansätze und Generationenperspektiven – 2006 kommt im Sinne der Unübersichtlichkeit auch noch ein Fernsehmuseum unter dem Dach der Kinemathek hinzu – profitiert die Öffentlichkeit nur wenig. Als Veranstaltungsort hilft man einander aus, aber ob die Arbeit der einen Institution Anreiz für die anderen bietet, ist nicht zu erkennen. Es wäre wünschenswert, dass das Filmhaus nicht weiter zur Stätte der Profilierung der einzelnen in ihm ansässigen Institutionen wird, sondern sich als Zentrum für Filmkultur begreift. Vielleicht gibt die fast gleichzeitige Neubesetzung von Kinemathek- und DFFB-Leitung in dieser Hinsicht Grund zur Hoffnung.

Die Kinemathek trägt alljährlich zur Berlinale die Retrospektive mit dazugehöriger Ausstellung bei, aber weder eine attraktive (Teil-)Wiederholung der Retro noch ein anderes profiliertes Programm unter dem Markenzeichen Filmmuseum schien bisher während des Jahres angedacht. Die Kinemathek bedient weiter die klassische Aufgabe, Filmhistoriker mit fundiertem Material auszustatten. Mit der Konrad-Wolf-Biografie „Sonnensucher“ ist neuerdings ein Publikationstyp entstanden, der sich nicht als Begleitbuch versteht. Weitere könnten entwickelt werden, auch für jüngere Leser. Bislang ist die neue Aufgabe, Entwicklungshilfe in Filmkunde an den Schulen zu leisten, nicht auf den Weg gebracht.

Warum ist nicht mehr Austausch mit den interessanteren Ansätzen der Film- und Kulturwissenschaft möglich? Merkwürdig eigentlich, dass die Urformen der bewegten Bilder immer noch so heikle Museumsaufgaben sind.

CLAUDIA LENSSEN