Subversiv Mag sein, dass ein Computer Texte übersetzen kann. Die eine Frage ist: Wollen wir das? Und die andere: Hat er überhaupt Humor?
: Übersetzen ist eine Machtfrage

von Doris Akrap

Wer zu Gast in einem Land ist, dessen Sprache er nur vom Hörensagen kennt, kennt diese Situation sehr gut: Sitzt man in einer lustigen Abendrunde und es werden Witze oder Anekdoten in der Landessprache erzählt, lachen alle. Außer man selbst. Man versteht den Witz nicht, selbst wenn man alle Wörter, die in dem Witz vorkommen versteht oder übersetzt bekommt.

Witze sind nicht übersetzbar. Oder nur sehr schwer. Sie sind voller Anspielungen, ihr Sinn, also ihr Witz, erschließt sich meist nur über die Worte, die in einem bestimmten Ruf stehen, die bestimmte Kontexte auf- beziehungsweise abrufen.

Übersetzen hat mit dem Königsweg, mit dem man eine mathematische Gleichung löst, wenig zu tun. Es handelt sich eher um Wahrscheinlichkeitsrechnung. Es gibt nicht den einen Weg. Übersetzen ist Verhandlungssache. So jedenfalls hat es der Autor und Zeichentheoretiker Umberto Eco ausgedrückt.

Mit einem einfachen Wörterbuch ist diese Arbeit nicht getan. Wörterbücher sind nur eine Behelfsbrücke, ein Provisorium, um ungefähr zu wissen, welche Richtung man einschlagen muss, um zum Ziel zu kommen. Und man kommt auch immer nur ungefähr da hin, wo man hin muss, oder besser: will.

Beim Übersetzen von Gedichten wird es am deutlichsten: Der Übersetzer muss kein guter Übersetzer im Sinne eines Dolmetschers sein. Er muss vor allem dichten können. Die Arbeit des lyrischen oder literarischen Übersetzens erhält mittlerweile die Würdigung, die es verdient, denn die Übersetzer eines Thomas Pynchon oder Walt Whitman sind genauso Autoren wie die Autoren selbst. Um Gedichte zu schreiben, so heißt es, müssen Dichter leidensfähig oder wenigstens hochempfindlich sein. Können Computer leiden?

Verstehste?

Die Schwierigkeit, so betont die Sprach- und Kulturwissenschaft seit Walter Benjamins Aufsatz „Die Aufgabe des Übersetzers“ von 1923, liegt nicht darin, den Sinn richtig wiederzugeben. Die Schwierigkeit liegt darin, die richtige Form zu finden. Um Sätze und ihre Bedeutungen von einer Sprache in eine andere zu übersetzen, braucht es also nicht nur Kontextwissen und Interpretation. Es braucht ein Verständnis von Ironie, das heißt, es braucht die Fähigkeit Ungesagtes, das, was zwischen den Zeilen steht, zu verstehen.

Es sind soziale, kulturelle und ideologische Grenzen, die vom Übersetzer überwunden werden müssen. Die große Frage ist also, ob Algorithmen ironiefähig sein können. Können Computer die ironische Verwendung eines bestimmten Wortes erkennen, das vom Sprecher nur deswegen ausgewählt wurde, weil es beispielsweise in einer politischen Debatte benutzt wurde, der Sprecher es aber in der Absicht benutzt und entsprechend platziert, um den Diskurs, den Unterton in dieser Debatte zu entlarven? Schwer vorstellbar.

Vor allem, weil Ironie selbst unter Leuten, die oberflächlich betrachtet dieselbe Sprache sprechen, oft nicht funktioniert. Nicht von ungefähr gibt es die Redewendung „Wir sprechen einfach nicht dieselbe Sprache“, die meint, dass sich zwei Personen, die deutsch sprechen und denselben Wortschatz haben, nicht verstehen, weil ihre Anspielungen vom Gegenüber nicht erkannt werden.

Selbst wenn der Computer irgendwann mal zu einem intellektuellen Gesprächspartner werden sollte, ist es eine seltsame Vorstellung, dass der Knopf im Ohr einem übersetzt, was an dem Witz, über den die türkischen, italienischen, vietnamesischen oder kolumbianischen Dissidenten lachen, witzig ist. Die Folgen könnten nämlich ziemlich unwitzig sein. Denn Übersetzen ist eine Machtfrage. Wer die Hoheit über das Gesprochene und seine Bedeutung hat, ist entscheidend im Vorteil. Will man dem Algorithmus diese Macht überlassen?

Eher nicht, begreift man Übersetzen als Akt, der sich gegen die Bürokratisierung von Sprache wehrt. Nur als individuell gestaltbare ist Sprache ein Instrument, um seine eigene Sicht der Dinge auf die Welt zu bringen.