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Susanne Messmer wundert sich über den Abbau des Taubenhauses am Potsdamer PlatzGurr – ne: grrr!

Die Taube ist wieder obdachlos Foto: dpa

Es gibt kaum ein Tier, an dem sich die Geister derart drastisch scheiden wie an der Gemeinen Stadttaube. Die einen würden nur wegen dieser Tauben nie nach Venedig reisen, beschimpfen sie voller Ekel als „Ratten der Lüfte“, werden nicht müde, die Parasiten aufzuzählen, die Tauben so mit sich bringen – und die Krankheiten, die sie übertragen können (Salmonellen! Tuberkulose!!).

Die anderen berufen sich auf die kulturell eher positiv besetzte Friedens- und Brieftaube – vor allem ältere, allein stehende Damen. Jene machen sich angeblich sogar nachts auf die Socken beziehungsweise Perlonstrümpfe, um die angeblich ebenso anmutigen wie klugen Tiere zu füttern.

Als 2012 das zwei Tonnen schwere Taubenloft am Potsdamer Platz von der Potsdamer Platz Management GmbH installiert wurde, wirkte das fast wie ein Friedensangebot an Taubenliebhaber wie an -hasser gleichermaßen. Denn das Haus auf dem 70 Meter hohen Dach des dreieckigen Forum Towers von Renzo Piano bot bis zu 200 Tieren Platz, die dort ungestört fressen und nisten konnten – dies zur Freunde der Taubenfans. Zur Befriedung der Hasser: Der Mist der Tauben wurde entsorgt, angeblich handelte es sich um beachtliche 1.500 Kilo im Jahr.

Außerdem diente die edle Taubenbude auch der sanften, tierfreundlichen Populationskontrolle ganz ohne Abschießen, Pfählen oder gar Vergiften. In regelmäßigen Abständen tauschte eine eigens angestellte Tierpflegerin echte Taubeneier gegen Gips-Attrappen aus. So durften die Tiere zwar weiter brüten, aber ohne Ergebnis. Auf diese Weise leistete das Haus seinen Beitrag, dass die Taubenpopulation der Stadt von zirka 40.000 im Jahr 2000 auf gerade noch 10.000 bei der letzten Zählung 2012 gesunken ist.

Jetzt dürfen sich Taubenfans wie -hasser wieder aufregen. Der neue Eigentümer des Hauses mit dem Refugium für das Federvieh, Brookfields Development, hat angekündigt, dass das Taubenhaus Ende dieses Monats abgebaut wird. Offenbar hält er die Vögel für die falschen Nachbarn.

Die Tiere, die sich in den vergangenen Jahren an ihr komfortables Heim gewöhnt haben, werden in der anstehenden kalten Jahreszeit leiden und verenden, erklärte prompt die Sprecherin des Berliner Tierschutzverbandes, Annette Rost. Auch Tierhasser müssen sich Sorgen machen: Der Kot jener Tiere, die den Winter überleben, wird nun wieder ungehindert auf Köpfe, Dächer und Plätze pladdern. Bis sich jemand anderes der Tiere annimmt.

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