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Neuland für Kultur

KULTURZENTRUM Am „Hochwasserbassin“ in Hammerbrook entsteht das Kulturzentrum „Südpol“, das Räume für Künstler, Konzerte und zum Feiern zur Verfügung stellt. Und sich dabei als emanzipatorisches Projekt versteht

von Danilo Rößger

Drei leer stehende Gebäude auf 4.500 Qua­dratmetern. Viel Potenzial hat der zwölf Jahre lang ungenutzte ehemalige Betriebshof der Hamburger Wasserwerke am sogenannten „Hochwasserbassin“ in Hammerbrook. Seit einiger Zeit herrscht dort reges Treiben: Der Verein „Kulturelles Neuland“ schafft Raum für Kreative, Künstler und Musiker, „Südpol“ heißt das neue Kulturzentrum. Dafür erhält er Unterstützung von der Hamburger Kulturbehörde, die eine Grundsanierung des Gebäudeensembles mit 650.000 Euro unterstützt. Mittlerweile sind die ersten Werkstätten, Tonstudios und Ateliers fertig. Aber die Vereinsmitglieder haben noch viel vor sich.

Leerstand zu Kulturzentren

Seit mehreren Jahren engagiert sich Kulturelles Neuland für die Umwandlung von Leerstand und Brachflächen in Kulturzentren. Vorstand des Vereins ist Daniel Gelbe – zumindest auf dem Papier. „Bei uns agieren alle auf einer Ebene“, betont der gebürtige Niedersachse, der vor 20 Jahren nach Hamburg kam. Blauäugig sei das Kollektiv zunächst an die Sache herangegangen: „Ein Kulturzentrum zu erschaffen ist ein riesiges Thema, wenn man bedenkt, was für ein Rattenschwanz da dranhängt“, sagt Gelbe. Ob Behördengänge, Instandsetzungsmaßnahmen oder Genehmigungen – stets wartet die nächste Hürde darauf, genommen zu werden.

Vor vier Jahren haben die Hamburger Kreativ-Gesellschaft und die Kulturbehörde das Gelände zur Nutzung ausge­schrieben. Mit einem üppigen Konzept, einem liebevoll gestalteten Wimmelbild und einem kreativen Bewerbungsvideo konnte der Verein das 17-köpfige Expertengremium überzeugen. Sowohl Vertreter der Kunst- und Kulturszene als auch die Behörden waren sich einig: Das Projekt „Südpol“ hat Zukunft.

In den beiden Gebäuden des „Südpols“ soll in den nächsten Jahren nicht nur Clubbetrieb stattfinden, sie sollen auch ein Ort für Konzerte, Lesungen und Podiumsdiskussionen werden, mit einer bezahlbaren Atelierfläche. Das dritte Gebäude fungiert als Vinylpresse und Werkstatt. Die Homepage zeigt in Comicform, was im „Hochwasserbassin“ noch alles möglich sein kann. Der Zuspruch ist riesig, alle verfügbaren Räume sind vergeben.

Und das alles, obwohl Hammerbrook aktuell nicht gerade der „place to be“ ist. Zu Unrecht, findet Gelbe. „Hammerbrook ist bei vielen Menschen noch ein blinder Fleck auf der Landkarte“, sagt er, „ein klassisches Gewerbegebiet.“ Bis 17 Uhr gebe es emsiges Treiben im Stadtteil, danach sei es dort wie ausgestorben. Doch Gelbe ist angetan vom rauen Industrie- und Gewerbe-Charme, der durch die Straßen weht: Hammerbrook habe das Zeug dazu, Kulturschaffende anzulocken. Die Fläche müsse nur entsprechend genutzt werden.

Mittlerweile erkennt auch die Stadt Hamburg das Potenzial des Stadtteils. Durch verschiedene Bauprojekte soll sich die Einwohnerzahl von rund 2.400 in den nächsten Jahren verdreifachen. Umso verlockender für die neu Zugezogenen, wenn sich dort ein Kulturzentrum etabliert. Die Ambivalenz, durch Kultur eine Stadtentwicklung voranzutreiben, ist Gelbe bewusst: „Wir haben in St. Pauli und Wilhelmsburg gesehen, wie die Stadt die Kreativszene instrumentalisiert, um Stadtteile aufzuwerten.“ Doch die Situation in Hammerbrook sei anders, denn es gebe keine gewachsenen Wohngebiete, die in Zukunft möglicherweise weichen müssen. „Der Südpol möchte auch ein Ort sein, um städtische Transformationsprozesse kritisch zu begleiten“, sagt Gelbe.

Frischer Wind

Er ist sich bewusst, dass es im Hamburger Kulturbetrieb derzeit ungemütlich zugeht. Verschiedene Clubs mussten in den letzten Jahren schließen, Raumknappheit und behördliche Auflagen erschweren Neugründungen. So ist in Hamburg schon länger vom Clubsterben die Rede. Auch die Zukunft des jungen „Moloch“ des Gängeviertels im Freihafen ist unsicher. „Wer nicht gewinnorientierte Gastronomie betreibt, sondern einen künstlerischen Anspruch verfolgt, hat es derzeit schwer“, sagt Gelbe.

Aber die Philosophie des Vereins soll frischen Wind in die Veranstaltungsszene bringen, denn Kulturelles Neuland versteht sich vor allem als emanzipatorisches Projekt: Die Feierkultur soll nicht entpolitisiert wahrgenommen werden, der Club als Rückzugsort und Freiraum fungieren. Rassismus, Sexismus und Homophobie haben im „Südpol“ nichts zu suchen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – nicht aber in der Nachtkultur.

Selbst erklärtes Ziel ist es, den „Südpol“ langfristig als Veranstaltungsfläche zu etablieren und die Synergieeffekte des Geländes zu nutzen. Denkbar sei beispielsweise, dass eine Band in der Vinylpresse nebenan ihr Album anfertigen ließe und danach im „Südpol“ die Release-Party feiere, sagt Gelbe.

Ideen gibt es also genug. Zeit auch: Bis einschließlich 2035 kann der Verein die Gebäude benutzen. Dann droht der Abriss – zumindest nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge: Das Gelände soll den Grünzug von der Alster bis zu den Elbbrücken komplettieren. „Aber mal ehrlich, niemand weiß, was sich bis dahin hier entwickelt hat“, sagt Gelbe. „Möglicherweise ist der ‚Südpol‘ dann so ein fester Bestandteil der Hamburger Kulturszene“, hofft er, „dass an einen Abriss gar nicht mehr zu denken ist.“

„Südpol“ Hamburg, Süderstraße 112, Internet: www.suedpolhamburg.org

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