LeserInnenbriefe
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„Rückführung“ ist Abschiebung

betr.: „Hilfe gibt’s zu Hause“, taz vom 15./16. 10. 16

Hallo tazzen, denkt doch mal wieder über die schleichende Wirkung von Euphemismen nach. Es nervt, wenn man regelmäßig auch bei euch über die Rückführung von Flüchtlingen liest. Merke: Es heißt Abschiebung, zumindest sind Anführungszeichen erforderlich. Oder droht beim Thema Kaiser’s-Tengelmann jetzt auch die Freisetzung von Angestellten und nicht deren Entlassung? Susanne Bouché,Stuttgart

Abgenudelt, weinerlich, humtata

betr.: „How many lines must a man write down before you can give him a prize“, taz vom 15./16. 10. 16

Ach, welcher uninspirierte Mensch hat diese Nummern auf den Titel gehievt (eine Negativauswahl par excellence):

„Blowing in the Wind“: abgenudelt. „Lady Lady Lay“: weinerlich.

„Rainy Day Woman“: humtata. Und „Don’t Think Twice“, wenn man’s mal einfach liest, zeigt Dylan sich auch nicht von seiner besten Seite, ’n bisschen beleidigte Leberwurst, nicht wahr? Jemand andrer Meinung? Waldo Ellwanger, Oldenburg

Logische Entwicklung

betr.: „Grenzenloser Provokateur “, taz vom 15./16. 10. 16

Dass Robert Ménard nicht der feine „kompromisslose Verteidiger der Meinungsfreiheit in den Medien der Welt“ ist, hätte schon in seiner Funktion als Sprecher der Reporter ohne Grenzen in Frankreich bekannt sein können. Denn von Beginn an war er besonders „besorgt“ um vermeintliche Verletzungen der Meinungsfreiheit in ganz bestimmten Staaten. Dazu gehörte zuvörderst das sozialistische Kuba, das er geradezu verteufelte, weshalb er auch engste Kontakte und Freunde bei Exilkubanern im US-Bundestaat Florida pflegte. Darunter waren auch kriminelle und terroristische Gruppen und Personen. Aber das war offenbar okay, denn er kritisierte ja ein sozialistisches System. Dieser Zweck kann dann auch gern von psychopathischen Personen erfüllt und akzeptiert werden. Dass er nun gegen Flüchtlinge, also „Andere“ hetzt, scheint daher nur logisch. EDGAR GÖLL, Berlin

Weibliche Machtpolitik

betr.: „Trump: Jetzt erst recht“, taz vom 10. 10. 16

Man kann viel Böses ungestraft tun: Massenvernichtungswaffen erfinden und Soldaten in den Tod schicken, man kann auch Zivilisten, Journalisten just for fun abknallen. Das bricht niemandem den Hals. Das schockierende Video von Assange war bald nicht mehr Gegenstand der Entsetzens, sondern der Verdacht, dass er Frauen zumindest belästigt hat. Schlimm genug. Die Silvesternacht von Köln – auch schlimm –, hört sich dann aber an wie der Kessel von Stalingrad, die Schlacht von Verdun, wobei Claudia Roth verlauten ließ, dass es auf dem Oktoberfest auch hoch hergeht. Da hätte man mal früher was sagen sollen.

Donald Trumps ganzes Verhalten ist unmöglich, das von Orbán auch. Was macht aber eine Hillary Clinton ethischer, was macht eine kaltschnäuzige Präsidentin von Litauen denn menschlicher als Orbán? Was unterscheidet die männlichen und weiblichen Machtpolitiker denn wirklich? Doch nur noch die Manieren und die intelligentere Präsentation von Aphafrauen.

Wenn das Töchterchen von Til Schweiger ungefragt verlauten lässt, dass sie ihren amerikanischen Pass abgeben will, wenn Trump gewinnt, dann frag ich mich, wie die jetzt – zu Recht – empörten Amerikaner auf die Idee kommen konnten, Bush ein zweites Mal zu wählen. Verbrechen, Betrug weniger schlimm als dämliches Machogehabe?

Auf der ganzen Welt dasselbe Problem: den am wenigsten schmierigen, korrupten, skrupellosen Staatschef wählen.

Frauen sollen in hohe Positionen kommen können, aber es glaube doch niemand, dass dadurch die Welt besser wird. Wo ist der Beleg? Das unmögliche Verhalten von Trump kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, wie raffgierig auch eine Hillary Clinton ist. Martina Lenzen,München

Krieg gegen arme Länder

betr.: „Mit Highspeed quer durch Afrika“, taz vom 13. 10. 16

Angela Merkel will in Afrika Fluchtursachen bekämpfen und will deswegen dort Drogen-, Waffen und Menschenschmuggel bekämpfen lassen, um so der „illegalen Migration“ ein Ende zu setzen. Eine Hauptfluchtursache steht also nicht auf ihrer Liste: die Handelsbedingungen, die die EU und WHO den afrikanischen Staaten aufgezwungen haben.

„Diese Handelsverträge haben die Auswirkungen eines Kriegs gegen die armen Länder“, schreibt der Autor und langjährige Handelsbeauftragte Ugandas, Yosh Tandon. Denn durch die Verträge wurde es den Staaten Afrikas zum Beispiel verboten, Exportzölle auf ihre Haupterzeugnisse, vor allem Rohstoffe, zu erheben, gleichzeitig wurden sie verpflichtet, 75 bis 80 Prozent ihrer Importzölle abzubauen. Das Ergebnis? Einerseits wegbrechende Staatseinnahmen und die Verhinderung der Entstehung einer eigenen Verarbeitungsindustrie, anderseits werden die afrikanischen Märkte mit Produkten aus der EU überschwemmt, gegen die sie nicht konkurrieren können. Beispiel Hühnerfleischimport: Vor zehn Jahren deckten die Bauern Ghanas 80 Prozent des Landesbedarfs ab, seit Wegfall der Zölle nur noch 5 Prozent. Aus der EU importiertes billiges (und subventioniertes!) Tomatenmark hat den Tomatenanbau in Ghana faktisch eliminiert. Unsere Handelspolitik erzeugt gerade die „Wirtschaftsflüchtlinge“, die jetzt von Europa ferngehalten werden sollen. Erst faire Handelsbedingungen werden daran etwas ändern. Mark Lawrence, Stuttgart