: Am Ende eines bayerischen Tages
bundesliga Mit der Unfähigkeit, eine zweimalige Führung zu halten, ist Bayern München in eine Art Krise gestolpert. Und Eintracht Frankfurt darf nach dem 2:2 nicht mehr als potenzieller Absteiger gelten
Aus Frankfurt Christoph Ruf
Karl-Heinz Rummenigge ließ nach dem 2:2 in Frankfurt mächtig Dampf ab. „So wie wir in der ersten Halbzeit gespielt haben – das war nicht Bayern München. Am Ende des Tages müssen wir froh über den einen Punkt sein.“
Das Reflektieren über existenzphilosophische Fragen („Wer ist der FC Bayern?“ „Wo kommt er her?“, „Wohin geht er?“, „Wer, wenn nicht der FC Bayern, war in der ersten Hälfte auf dem Platz?“ – „Und warum, zum Henker, ist um 17.30 Uhr schon das Ende des Tages?“) ward jäh unterbrochen, denn der Vorstandsvorsitzende der Münchner hörte überhaupt nicht mehr auf, Sätze zu Protokoll zu geben, die auf massiv schlechte Laune hindeuteten.
Am Ende dieses Teils des Tages stand schließlich dieser Befund: „Wenn wir nicht eine andere Gangart an den Tag legen, haben wir ein Problem.“
Das haben die Bayern bereits jetzt, auch wenn die Tabellenführung ungefährdet ist. Allerdings wurden die letzten drei Pflichtspiele nicht gewonnen. Nach dem 0:1 gegen Real Madrid in der Champions League spielte man gegen Köln (1:1) und nun gegen Frankfurt Remis. Man ahnt, dass Köln und Frankfurt vereinsintern nicht unbedingt als die Gegner gesehen wurden, gegen die etwas anderes als krachende Siege einkalkuliert waren.
Was, um Himmels Willen, bedeutet das also angesichts der Tatsache, dass in den kommenden Tagen sowohl der PSV Eindhoven als auch die auswärts allerdings eher handzahmen Gladbacher in München vorstellig werden? „Kein Trend“, versicherte Rummenigge schnell. Sondern ein Weckruf, dass man auch als Team, das individuell kaum besser besetzt sein könnte, jedes Spiel mit voller Konzentration angehen müsse. „Wir sollten uns darauf einstellen, dass sich die Gegner nicht von vornherein geschlagen gaben.“ Wahrhaft sensationelle Erkenntnisse, die Rummenigge den Journalisten mitteilte.
Tatsächlich waren die Bayern bei der Eintracht in der ersten Hälfte merkwürdig passiv aufgetreten – und das, obwohl doch Arjen Robben mit seinem frühen Führungstreffer (5.) denkbar günstige Voraussetzungen für einen souveränen Sieg geschaffen hatte. Dass stattdessen jedoch Frankfurts Szabolcs Huszti, der später vom Platz flog, noch vor der Pause das 1:1 erzielte (43.) und später Marco Fabián die zwischenzeitlich erneute Bayern-Führung durch Joshua Kimmich (62.) ausglich (85.), passte da bestens ins Bild. Vorlagengeber Timothy Chandler wurde kaum attackiert, und Fabián konnte den Ball völlig unbehelligt über die Linie drücken. Ein Defensivverhalten, das jeder Beschreibung spottete, wie auch Thomas Müller fand: „Das hat dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt.“
Nachdem Trainer Carlo Ancelotti die Mannschaft unmittelbar nach dem Schlusspfiff zu einer Ansprache in die Kabine gebeten hatte, war offenbar die Devise ausgegeben worden, dass man nun einen Neuanfang ausruft. „Man darf 10 Minuten unkonzentriert sein, aber nicht 45“, sagte Ancelotti. Schwache Spiele könne er durchaus verzeihen, „aber wenn die Einstellung nicht stimmt, ist das etwas anderes.“ Zumal, wenn der Gegner so stark spielt wie Eintracht Frankfurt, eine Mannschaft, die man langsam, aber sicher ernst nehmen sollte. Immerhin gelang es einem Team, das nicht mehr wiederzuerkennen ist, seit Niko Kovač das Traineramt vom entspannten Armin Veh übernahm, zweimal einen Rückstand aufzuholen. Das ist – Fußballfans, die dem Teenageralter entwachsen sind, wissen das – per se ein schweres Unterfangen. Und ein geradezu unmögliches, wenn der Gegner FC Bayern München heißt.
„Wenn du 1:2 zurückliegst und einen deiner Spieler mit Gelb-Rot verlierst, ist es eigentlich mehr als wahrscheinlich, dass du noch ein drittes Tor fängst“, wusste dann auch Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner. Das ist es eigentlich auch. Doch eigentlich hatte man den Drittletzten der vergangenen Saison auch als Abstiegskandidat auf dem Zettel.
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